Oasenreisender

Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel: „Hollywood – Wien und zurück“. Feuilletons und Reportagen. Picus. Wien 2000. 270 Seiten. 39,80 DM

Auch Arnold Höllriegel, der eigentlich Richard A. Bermann hieß, nannte Peter Altenberg seinen Lehrmeister. Aber er lernte bei ihm nicht so sehr Verfeinerungskunst und Sensibilität für Verfallstendenzen, sondern die Meisterschaft der kleinen Form. Eine Meisterschaft, die ihn zu einem der renommiertesten deutschsprachigen Journalisten zwischen den Weltkriegen machte.

Bermann selbst sprach sich seine wertvollste Verdienstmedaille für die großartige Leistung zu, Joseph Roth entdeckt zu haben. Das heißt, er traf den ärmlich gekleideten Roth im Vorzimmer der Wiener Redaktion des Neuen Tag, las seine Texte und verschaffte ihm eine Anstellung als Reporter, was ihm Joseph Roth nie vergessen hat. Doch der Picus Verlag hat Bermann jetzt mit der Veröffentlichung seiner besten Feuilletons und Reportagen noch eine ganz andere Verdienstmedaille umgehängt. Und sich selbst gleich noch mit dazu.

Denn nach der vor zwei Jahren mit einigem Erfolg veröffentlichten Autobiografie Bermanns „Die Fahrt auf dem Katarakt“ war das Fehlen einer Auswahl seiner journalistischen Texte allzu deutlich geworden. Jetzt liegen sie vor und sind eine große Lesefreude. Denn Bermann war, anders als die meisten seiner Wiener Journalistenkollegen, ein Weltreisender, der neben zahlreichen Filmkritiken und Wiener Künstlerwürdigungen auch aus der Südsee, aus der Wüste und aus Hollywood berichtete. Hier war er zum Beispiel bei Albert Einstein und Charlie Chaplin zu Besuch, und wir erfahren nicht nur Essgewohnheiten (bei Einsteins: „spartanisch einfach, attisch gut“, bei Chaplins fein, sehr fein: Kaviar-Blinys mit Champagner) und Freizeitvergnügungen (Chaplin reitet gerade aus, Einstein ist beim Segeln) der beiden, sondern hören auch schöne Sätze wie diesen von Chaplin: „Als Schauspieler bin ich gar nicht komisch“, sagt er und berichtet Bermann bis tief in die Nacht von seinen Lebensplänen.

Seine vielleicht größte Reise unternahm Bermann im März 1933 gemeinsam mit dem ungarischen Grafen Almásly auf der Suche nach einer der letzten noch unentdeckten Oasen der Welt, auf der Suche nach Zarzura. „Kann man noch weiterleben, ohne Zarzura gefunden zu haben?“, fragt er sich und sagt Nein. Die Reise hat inzwischen durch Michael Ondaatjes „Englischen Patient“ Weltruhm erlangt. Doch dort in der Wüste, im Sommer ’33 holte den Juden Bermann die deutsche Wirklichkeit ein. Das Kündigungsschreiben des Berliner Tageblatts wurde ihm in die Wüste nachgeschickt. Bermann ging zurück nach Wien und floh später nach New York, wo er als „Journalist ohne Zeitung“, wie er sich selber nannte, 1939 starb.