Godzilla im Kopf

■ Das Redaktionskollektiv der Zeitung „IRRTU(R)M“ sucht nach der Balance zwischen innerem Wahn und grauem Alltag Glanz für die City

In uns drin, da ist was los. Bernd Baumann etwa hat regelmäßig „Godzilla, Adolf Hitler, Fred Krüger und alles, was dazwischen liegt“, bei sich zu Gast. Lustig ist das nicht, zumal sich diese illustren Gestalten ungefragt ziemlich breit machen in seinem Kopf.

Seit 23 Jahren geht das so, und Bernd Baumann bekämpft die irrsinnigen Parties in seinem Oberstübchen mit Neuroleptika – und mit „der größten Kraft von allen, der Liebe“. Denn die Hoffnung, dass „auf jedes Töpfchen auch ein Deckelchen wartet“ und wir uns am Ende des irdischen Lebens „auf ein weiches Kuschelkissen Paradies“ betten können, überzeugt dann und wann auch Godzilla & Co. davon, ihre vorlauten Klappen zu halten und anderswo feiern zu gehen.

Bei Ernst zum Beispiel. Dessen Dämonen, Engel und Geister haben durchaus Sinn für Humor, weshalb Ernst dichtet: „Euer Opa / beteuert / die Steuer / ist teuer / ich steuer / nach Afrika. / Das Nashorn / ist auch schon / da.“ Im „IRRTU(R)M“ steht all das und noch viel mehr, in jener Zeitung also, die seit nunmehr zwölf Jahren von Menschen gemacht wird, die zum Irrsinn eine besonders innige Beziehung pflegen. Dass das keine durchweg lustvolle Angelegenheit sein muss, zeigt auch die jüngste Ausgabe Nummer 12, die sich knapp 130 Seiten lang dem Thema „Eigenwelt – Fremdwelt – Mitwelt“ widmet.

Gedichte, Kurzgeschichten, Rezensionen und philosophische Traktate wechseln sich ab mit ziemlich kruden Befindlichkeitsergüssen und Texten, deren tieferer Sinn sich auch beim dritten Lesen nicht erschließt. Fast immer geht es darum, zu verstehen, ob die Welt im Grunde nicht bekloppter ist als jene, die die Welt für bekloppt hält und die deshalb regelmäßig im Zentralkrankenhaus-Ost und anderswo eingeliefert werden.

Für beide Positionen liefert IRRTU(R)M“ Nr. 12 durchaus Argumente. Wüste Klagen darüber, dass die Welt kalt, der Alltag grau und jedes Gegenüber womöglich ein Wüstling ist, finden sich ebenso wie vorsichtige, selbstkritische Beobachtungen des eigenen Wahns, der immer wieder dazwischen- funkt, wenn man sich wie die vielen anderen im grauen Alltag heimisch fühlen will.

Literarisch erklimmen die zahlreichen AutorInnen nur selten die allerhöchsten Gipfel, und kitschiger Pathos ist vor allem den PoetInnen ein tiefes Bedürfnis, das man nicht immer zu teilen vermag. Doch wirklich ärgerlich ist nichts, manches richtig gut, und vor allem dem Charme der Gedichte von Marlis Henken entzieht man sich nur schwer: „Denn auch Entspannung ist Leben / Drum ruh' Dich mal aus / Du kannst nicht immer nur streben / bleib' auch mal zu Haus'.“ zott

„IRRTU(R)M“ Nr. 12 kann man zum Preis von fünf Mark beziehen über die Redaktion: Vegesacker Str. 174, Tel.: 396 48 08 (tgl. 9-15 Uhr). Redaktionssitzung ist eben-dort jeden Mittwoch von 11-13 Uhr