Briten vorneweg: Klonen menschlicher Zellen erlaubt

Britisches Unterhaus billigt das Klonen von Embryonalzellen. Kritiker fürchten den Einstieg in die Reproduktion menschlicher Zellen. Entscheidung löst heftige Debatte in Deutschland aus

DUBLIN taz ■ Das britische Unterhaus hat grünes Licht für das Klonen von Embryonalzellen gegeben. Nach der Debatte über die Änderung des zehn Jahre alten Gesetzes zur künstlichen Befruchtung und Embryologie stimmten 366 Abgeordnete am Dienstagabend dafür und 174 dagegen. Wenn das Oberhaus die Entscheidung im kommenden Jahr bestätigt, ist Großbritannien das erste Land, in dem das Klonen menschlicher Zellen erlaubt wird.

Kritiker befürchten, dass damit dem Klonen von Menschen Tür und Tor geöffnet werde. Liam Fox, der Gesundheitsexperte der konservativen Tories, sagte: „Dass wir zu etwas in der Lage sind, heißt noch lange nicht, dass wir es auch tun müssen. Wir benötigen einen klaren Rahmen, innerhalb dessen wir arbeiten können.“ Der Tory-Abgeordnete Robert Key sagte: „Als menschliche Wesen sollten die Abgeordneten etwas Respekt für das Wunder des Lebens zeigen, und wir sollten unsere immensen Kapazitäten nutzen, das menschliche Leben zu verbessern.“ Seine Kollegin Ann Winterton bezeichnete es als „gemeinen Schwindel“, zu behaupten, dass man Kranken die Heilung vorenthalte, wenn man gegen die Gesetzesänderung stimme. Verschiedene konservative Parlamentarier sorgten sich gestern um das Ansehen des Landes. „Die ganze Welt wird aufhorchen, entgeistert darüber, was wir getan haben“, sagte einer von ihnen. „Der designierte US-Präsident George W. Bush wird entsetzt sein.“

Die Zustimmung des britischen Unterhauses hat in Deutschland eine heftige Debatte ausgelöst. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte gestern, mit der Entscheidung werde eine ethische Grenze überschritten. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach sich dagegen für eine „offene“ Diskussion über die Gentechnik aus. Die Vorsitzende der Medizinethik-Kommission des Bundestages, Margot von Renesse (SPD), lehnte das Klonen menschlicher Embryonen strikt ab. Die beiden großen deutschen Kirchen warnten vor einer Verletzung der Würde des Menschen. In einem Gastbeitrag für die Zeitung Die Woche schrieb Schröder, er sei gegen „ideologische Scheuklappen und grundsätzliche Verbote“ in der Genforschung.

Sowohl Labour als auch die Tories hatten darauf verzichtet, bei der Abstimmung Fraktionszwang zu verhängen. Sie überließen die Entscheidung dem Gewissen ihrer Abgeordneten. So stimmten eine Reihe von Labour-Abgeordneten gegen den Gesetzentwurf, mehrere Tories waren dafür. Premierminister Tony Blair war einer der Ersten in der Abstimmungslobby. Er hat sich in der Vergangenheit wiederholt dafür ausgesprochen, die Vorschriften für die Forschung zu lockern, weil er sich davon einen Wettbewerbsvorteil für Großbritannien verspricht.

Yvette Cooper, die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, eröffnete die Debatte für die Regierung. Sie versicherte, man überschreite „keinen wissenschaftlichen Rubikon“. Das reproduktive Klonen sei auch nach der Gesetzesänderung weiterhin verboten. „Die Vorstellung, Babys zu klonen, ist vollkommen unannehmbar“, sagte sie. „Wenn die Embryonenforschung aber für die Verhütung akzeptabel ist, dann muss das auch für schwere Krankheiten gelten.“ Dazu zählen Krebs, Herzkrankheiten, Alzheimer und die Parkinsonsche Krankheit.

In der emotional geführten Debatte sagte die Labour-Abgeordnete Fiona McTaggert, die unter Multipler Sklerose leidet, es wäre unverzeihlich, gegen die Forschung zu stimmen. Ihre Parteikollegin Anne Begg, die aufgrund einer degenerativen Krankheit an den Rollstuhl gefesselt ist, fügte hinzu, die Stammzellenforschung habe enormes Potenzial und die Mediziner hätten sich nahezu einstimmig dafür ausgesprochen.

Mit den embryonalen Stammzellen will man neues Gewebe für kranke Patienten herstellen. Die Zellen dürfen jedoch nur in den ersten 14 Tagen entnommen werden, wenn der Embryo noch eine Art Zellklumpen ohne Nervensystem und Rückgrat ist. Mit den Zellen könnten die Forscher jedes Gewebe oder Organ herstellen, das sie für eine Transplantation benötigen. RALF SOTSCHECK

brennpunkt SEITE 3