Wie, Weihnachten?

„'tschuldidung, feiert ihr eigentlich Weihnachten“, fragen mich Freunde regelmäßig im Weihnachtsendspurt. Interkulturelle Neugier packt sie, weil sie sich fragen, ob mir auch was geschenkt werden muss. So wird die Verneinung meist mit einer Prise Erleichterung zur Kenntnis genommen. Manche überreichen mir trotzdem mit einer Mischung aus „Du gehörst zu uns“ und „Der Arme“ ein Präsent.

Da wir nicht gerade im Land inflationärer Spontanität leben, werde ich den plötzlichen Einfall meiner ersten Freundin nicht vergessen, mir am 23. Dezember 1987 beim Kaufhaus-Hopping auch etwas zu schenken. Ganz passend: das Album War der christlichen Rocker aus Dublin. Ehrlich, ich war gerührt: Mein erstes Weihnachtsgeschenk mit 18 – und das nach 14 Jahren Almanya. Noch heute ein Glanzpunkt für die schlimmsten Tage im Jahr.

Alle Läden dicht, tote Straßen, grausames TV-Programm, freiwilliger Hausarrest, da eine nicht ausgesprochene Regel für Kanakster in Deutschland besagt, ruf keinen Christen, sei er Kirchensteuerzahler oder nicht, an Heiligabend an. Wie oft habe ich an diesem Tag auf ein rettendes Klingeln des Telefons gewartet. – Es wurde anders. Denn da war es angesagt, sich mit seinen Besten nach der familiären Bescherung in einer Disko oder Kneipe zu treffen. Geschenke-Schaulaufen und die permanente Frage: „Wie, hast du nichts bekommen?“ Nicht viel besser ist es heute. Viele in meinem Mittdreißiger-Umfeld finden es „echt progressiv“, sich Weihnachten ohne Familie freiwillig in WGs zu „einem tollen Essen“ zu versammeln. Weil es sich in Almanya so gehört, wird im Chor angesichts der Speise ein „Hmmm, riecht das gut“ angestimmt, und auch nach dem Abendmahl über das selbige gesprochen. Dies Ritual ist alltäglich und lenkt von Weihnachten ab. Nur die Gans und subkulturell-besinnliche Gespräche erinnern daran. Und das geht dann, einigermaßen. Imran Ayata