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durchs wilde weihnachtslandDie besten und wichtigsten, die schönsten, interessantesten, spektakulärsten und unwichtigsten Orte und Events zum Fest

Unter den Rock und über die Dächer

Den Samstagnachmittag sollte man auf jeden Fall im KaDeWe verbringen. Aggressives Dienstleisten ist hier verpönt. Die Rolltreppen laufen langsamer als in den anderen Geschäften der Stadt, in der Parfümerie küssen sich junge Pärchen, und wer lieber allein sein möchte, geht in die beinahe menschenleere Teppichabteilung. Der schönste Moment ist allerdings, wenn eine halbe Stunde vor Ladenschluss – heute also um 17.30 Uhr – das KaDeWe über die Lautsprecheranlage seinen Kunden und Mitarbeitern ein schönes Weihnachtsfest wünscht. Danach wird ein langsamer Walzer eingespielt, und sobald die Kassen geschlossen sind und die Tageseinnahmen gezählt werden, erfüllt ein zartes Klingeln, das allein Münzgeld zustande bringt, das Kaufhaus. Dann ist Weihnachten. men

Sa., später Nachmittag, KaDeWe, Tauentzien 21, Tiergarten

Der Tresor ruft unter dem Motto „Jesus Chris“ zum Tanz in die Weihnacht auf. Wenn Frankfurt mit Chris Liebing einen der wichtigsten Techno-Söhne der Stadt ins Rennen schickt, der mit Berlins Pacou die Plattenspieler mit der eher härteren Techno-Gangart bestückt, bleibt keine Kerze mehr an. Zwei Routiniers im Partyschmeißen, die wahrscheinlich von Anfang an in Richtung klassische Technoschule steuern und kaum Kompromisse eingehen. Detroit, Frankfurt, Berlin, diese Achse steht. ah

Am 23. 12. ab 23 Uhr, Tresor, Leipziger Straße 126 a, Mitte

Heutzutage glauben Menschen eh nur noch an den Weihnachtsmann, wenn sie die entsprechenden Chemikalien geschluckt haben. Für alle, die sich nüchtern überzeugen lassen wollen: Der Weihnachtsmann höchstpersönlich ist am Heiligen Abend den ganzen Tag im Thalia-Kino. Punkt 11 Uhr beschert er im Thalia 1 (zum doofen „Pokémon 2“), und um 11.45 Uhr schlendert er kurz rüber zum prima „Grinch“ im Thalia 2. Beim „Dschungelbuch“ um 11.15 Uhr lungert er mysteriöserweise ebenfalls herum, und zeitgleich ist er im Eva-Kino anwesend. Typisch Weihnachtsmann. Das überzeugt doch wohl alle. Aber eigentlich würden wir wirklich gerne wissen, wer Heiligabend um 22 Uhr ins Sputnik Südstern geht, um sich „Baise-moi“ anzuschauen? jz

Am 24. 12., Thalia-Kino, Kaiser-Wilhelm-Str. 71, Steglitz; Sputnik Südstern, Hasenheide 54, Kreuzberg

Neulich meinte der Kollege Weidermann, Weihnachten werde dieses Jahr ziemlich unspektakulär sein und reichlich geschäftsmäßig über die Bühne gehen. Die notorischen, wenngleich nicht unschönen Weihnachtsfeiern, die üblichen CD-, Bücher- und sonstigen Geschenktipps aus den Kulturredaktionen – da mochte man ihm nur zustimmen. Wahrscheinlich haben das letztjährige Weihnachten und die anschließenden Millenniumsfeierlichkeiten eine Menge Kraft gekostet. Vielleicht ist es aber auch nur eine Frage des Alters: Weihnachten ist alle Jahre wieder und alle Jahre gleich. Alle Jahre wieder gibt es denn auch ein Weihnachtskonzert in der Volksbühne. Alle Jahre wieder aber sorgt zumindest dieser Event für Abwechslung vom Festtagseinerlei. Wie schon im letzten Jahr machen also Stereo Total mit ihrem Auftritt im Theatersaal den Abend erst richtig schön, und zwar im Geiste von Jacques Tatis Monsieur Hulot, dessen Erlebnisse sie mit viel Chansons und noch mehr selbst gebauten Instrumenten musikalisch begleiten. Auch mit dabei: Felix Kubin, Manuel Muerte, Mariola Brillowska, Hanayo und Julius Nerdinger. Ein Klassiker der Spätmoderne, der selbst dann stattfinden dürfte, wenn Weihnachten tatsächlich einmal ausfallen sollte. gba

24. 12., ab 22.30 Uhr, Volksbühne Rosa-Luxemburg-Platz

Am ersten Feiertag sind normalerweise Familie, Plätzchenessen und Fernsehprogramm angesagt. Zu diesem Gemütlichkeitsterror müssen Alternativen her. Eine veritable bietet sich dieses Jahr nicht in einem der einschlägigen Party-Areas von Friedrichshain bis Mitte an, sondern im Hennigsdorfer Magic Christmas Gate. Da muss man zwar erst den Stadtplan herausziehen und schauen, wo das liegt (nördlich von Berlin), doch ein kleiner Ausflug kommt zum Verdauen ja ganz gut. Außerdem geht es zu Tok Tok, bei deren stets gefeierten Live-Sets kein Auge trocken bleibt. Neben ein paar anderen Acts wie S.P.U.D., Reiseführer, Majestic ist vor allem Dash zu erwähnen, der eher der Antipode zu Tok Tok ist und lecker abgehangenen Techno-House serviert. ah

25. 12., Magic Christmas Gate, ab 22 Uhr, in der Fabrikstraße in 16761 Hennigsdorf

Kreuzberg tut ja geradezu so, als hätte es keine Familie. Als hätte es keiner lieb. Als hätten alle nur Lust auf Party. Stimmt wahrscheinlich sogar. Jede Menge Kneipen haben geöffnet und machen auf lustig. Das dunkle, grenzuncoole Rock’-n’-Roll-Loch Wild at Heart bietet jeden Tag ein Super-Xmas-Programm mit DJs und Bands an. Am Dienstag präsentiert es zum Beispiel die Psychedelic 60s Night, mit Light-Show und illegalen Drogen, mit Beatboots, fetten Mungo-Jerry-Koteletten und allem Pipapo. Ist doch mal was. Vor allem für diejenigen ohne blinkende Weihnachtskette zu Hause. jz

24. 12.–26. 12., jeweils ab 22 Uhr, Wild At Heart, Wiener Straße 20, Kreuzberg

Ein Café in Kreuzberg, in dem man prima Leute ausspionieren, flirten und sogar fast nackten Badenixen zuschauen kann, obwohl es draußen vielleicht schneit, ist das Café Morena. Man isst Lammburger, trinkt neuerdings Absinth zum Grolsch und hat die Auswahl zwischen jeder Menge bedrucktem Papier. Hier liest Mann, was Frau so liest: Cosmopolitan, Allegra und zum Nachtisch Sex- und Stricktips in Petra. Dann zum Muskelaufbau eine Prise GQ und Men’s Health. Schließlich noch ein Glas Absinth, vielleicht einen Bagel mit Lachs und einen tiefen Zug aus der Luft, die da schon wieder aus der arabischen Ecke herüberqualmt. Auf dem Klo neben dem siffigen Pissbecken offeriert schon ewig jemand seine freundlichen Dienste, leider ohne Telefonnummer: „Ich piss dir überall hin“. Wenn die Sonne untergeht, parken manchmal Wohnmobile direkt vorm Fenster, in denen sich Menschen ungeniert zum Schlafengehen umziehen. ab

24. und 26. 12. von 9 bis 4 Uhr, 25. 12. von 11 bis 4 Uhr, Morena, Wiener Straße 60, Kreuzberg

Wenn alles gekauft ist, empfiehlt sich der unbeschwerte, antizyklische Gang durch eines dieser neumodischen Einkaufscenter. Das Forum Neukölln hat auch über Weihnachten auf. Vielleicht tummeln sich dann immer noch Fitnessfreaks im dritten Stock, einem unter dem neuen Karli-Kino. Noch eins höher ist die Bibliothek, in der die Gewerkschaft verlangt, eine Fußbodenscheibe zu verkleben, weil man Mitarbeitern hier vielleicht unter den Rock gucken könnte. Dabei hat man viel bessere Aussicht auf dem Parkdeck ganz oben auf dem Dach des Centers – zu erreichen mit dem Glaslift. Nicht nur Neukölln, halb Berlin „liegt uns zu Füßen“. Die Schornsteine in Treptow oder der Potsdamer Platz, alles prima zu sehen bei freiem Eintritt. ab

Forum Neukölln, Karl-Marx-Straße 66, Neukölln

Weihnachtszeit ist Rückblickzeit. Kennen wir zur Genüge, muss nicht immer sein, eigentlich gar nicht, füllt aber Seiten und Sendeplätze. Auch unsere Lieblingsverbrecher von der jeden Dienstag im Kaffee Burger tagenden Verbrecherversammlung stehen da nicht drauf. Statt zurückzublicken, lesen am zweiten Feiertag die Verbrecher Werner Labisch, Jörg Sundermeier, Meike Jansen, Jürgen Kiontke und Max Müller lieber aus ihren eigenen Weihnachtsgeschichten. Laut Herrn Sundermeier sind die „grausam, ekelhaft oder schön“. Danach legt er höchstpersönlich als DJ Poster Musik auf, „die Dreißigjährige kennen und trotzdem von heute sind“. Und „wenn dann alles Scheiße läuft“, sagt Herr Sundermeier noch, „kommt der Teufel“.

gba

Am 26. 12. ab 21 Uhr, Kaffee Burger, Torstraße 60, Mitte

Immer nur essen, trinken, tanzen, schlafen hilft auch nicht über die Tage. Außerdem gibt es ja genügend Leute, die in Zeiten harmonischen Erwachsenwerdens ihre Eltern zu sich nach Hause eingeladen haben, anstatt zu den alten Bekannten in die Kleinstadt zu fahren. Mit den Eltern lässt sich am 2. Weihnachtstag zudem gut das versäumte Kulturprogramm nachholen. Also ab ins Museum. Weil man in Sachen Kunst wiederum über Geschmack streiten kann – Picasso oder lieber Koons? –, aber genau das gerade zu Weihnachten vermeiden will, empfiehlt sich der Martin-Gropius-Bau. Dort sind mit „Teatrum naturae et artis“ die Wunderkammern des Wissens aufgebaut, eine Sammlung aus gigantischen medizinischen Präparaten, allerlei wissenschaftlichen Geräten und etwas Kunst am Rande. Da wird gestaunt, das schweißt zusammen. Wer mag, kann auch ein Stockwerk höher im museum der dinge nachschauen, was sich hinter dem Titel „sammeln!“ verbirgt – womöglich Geschenke vom letzten Jahr? hf

26. 12., 10–20 Uhr, Niederkirchstr. 7, Kreuzberg

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