„Nichts verbindet so sehr wie das Gefängnis“

Neonazis ist durch hohe Strafen nicht beizukommen, entgegnet Klaus Breymann all jenen, die nach dem Übergriff in Guben genau diese fordern

taz: Nach dem neuerlichen Überfall in Guben steht die Justiz unter heftiger Kritik. Gehen Richter und Staatsanwälte zu lasch mit rechten Gewalttätern um?

Klaus Breymann: Für die Vermutung, dass hohe Strafen abschrecken, gibt es keinen Anhalt. Würde Abschreckung wirken, müsste ein Täter vor dem Zuschlagen nachdenken und abwägen. Aber in solchen Momenten spielen meist Alkohol und Gruppendruck eine größere Rolle.

Ist es zu viel verlangt, rechte Menschenfeinde wirksam zu bestrafen?

Im unmittelbaren Tatzusammenhang muss man hart durchgreifen und die rechtswidrige Situation beenden. Im Prozess müssen die Leute eingesperrt werden, die man nicht draußen rumlaufen lassen kann, weil sie zu gefährlich sind. Aber man muss aufpassen, dass man durch Strafverfahren nicht falsche Solidaritäten schafft. Nichts verbindet so sehr wie eine gemeinsam verbrachte Zeit im Gefängnis.

Weil Knast wenig bewirkt, sollte man Milde zeigen?

Es geht nicht um Strenge oder Milde, sondern darum, was am ehesten etwas nützt. Wenn wir aber freiheitsentziehende Maßnahmen ergreifen, die bei jugendlichen Straftätern zu über 90 Prozent zu einem Rückfall innerhalb von drei Jahren nach Verbüßung führen, dann hat es dem Einzelnen nichts genützt und der Gesellschaft geschadet.

Welcher Neonazi gehört hinter Gitter?

Leute, die unbelehrbar sind, die massive Straftaten begangen haben, bei denen die Gefahr besteht, dass sie es wieder tun werden. Bei denen muss ich nicht so sehr auf ihre persönliche Entwicklung sehen, da bin ich durchaus für nachhaltige Bestrafung. Da nehme ich es in Kauf, dass sie sich durch den Knast geadelt fühlen.

Was tun gegen Mitläufer?

Ich kenne eine Vielzahl von Jugendlichen, bei denen es sich gelohnt hat, die gelbe Karte zu zeigen und ihnen zu sagen: Wenn du weitermachst, kannst du an deinen Anführern ablesen, wohin das führt, nämlich gnadenlos in den Knast. Doch das Problem sind nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Erwachsenen. Denn viele der Täter fühlen sich konform mit der Gesellschaft.

Haben Sie resigniert?

Nein, die Justiz kann nur marginal in die Lebenswirklichkeit eingreifen. Wir müssen durch gemeinsame Überzeugungsarbeit das erhebliche Mitläuferfeld zurückgewinnen. Das schaffe ich nicht durch den Knast.

INTERVIEW: ANNETTE ROGALLA