„Es gibt keinen Weg zurück“

„Sie bauen hier überall Siedlungen!“ – „Ja klar!“ – „Und was heißt das?“ – „Das heißt, Barak ist ein Idiot!“ – „Und wer finanziert das?“ – „Die Regierung, wer sonst?“ – „Wem soll man also glauben, Baraks Händen oder seinem Mund?“

das Streitgespräch moderierteANTJE BAUER

taz: Die Camp-David-Verhandlungen vom vergangenen Sommer sind noch immer der Bezugspunkt aller Gespräche jetzt. Wer ist schuld am Scheitern von Camp David?

Zakaria al Qaq: Nach dem, was von dort herausgesickert ist, wurden Vorschläge gemacht, denen Arafat nicht zustimmen kann. Jerusalem ist ein Riesenproblem. Und wie um Himmels willen soll Arafat ein Abkommen unterzeichnen, das das Flüchtlingsproblem ausklammert?

Gershon Baskin: Über das Flüchtlingsproblem wurde kaum geredet. In der Hauptsache ging es um Jerusalem, und der israelische Vorschlag war für die Palästinenser nicht akzeptabel.

Hätten die Israelis in den beiden schwierigsten Punkten, Jerusalem und Flüchtlinge, nachgeben sollen?

Baskin: Das Problem ist, dass während der letzten 30–50 Jahre Symbole immer bedeutender geworden sind. Und es ist sehr schwierig, über Symbole zu diskutieren. Wir werden sehen, dass man zu Abkommen kommt, in denen beide Seiten ihre Symbole, ihre Flaggen behalten und dabei die Wirklichkeit verändert wird. Israel kann dann immer noch erklären, dass der Tempelberg den Juden heilig ist, aber in Wirklichkeit werden ihn die Palästinenser kontrollieren, wie sie es schon heute tun. Das eigentliche Problem sind die Flüchtlinge. Denn es ist ausgeschlossen, dass irgendeine israelische Regierung jemals einem Rückkehrrecht zustimmen wird. Israel könnte zwei Dinge tun. Es könnte das Rückkehrrecht all denen zubilligen, die der ersten Generation der Flüchtlinge angehören. Das heißt, dass palästinensische Flüchtlinge, die über 50 Jahre alt sind, nach Israel kommen können und dass mit internationalen Fonds etwa Dörfer für sie gebaut werden. Eine andere Möglichkeit wäre, den Flüchtlingen anzubieten, in Gebiete zurückzukehren, die Teil des Gebietsaustauschs sein werden. Man könnte fast allen das Rückkehrrecht dorthin anbieten, und sie kämen in ursprünglich israelisches Gebiet, aber es wäre Teil des Abkommens, dass dieses Gebiet dem palästinensischen Staat zugeschlagen wird.

Aber die Flüchtlinge wollen zurück nach Akko, nach Haifa . . .

Baskin: Das wird nie geschehen. Wenn das die Bedingung für den Frieden ist, dann wird es nie Frieden geben.

al Qaq: Ich denke, das ist ein Problem für die palästinensische Führung. Es ist wohl besser, kein Abkommen abzuschließen, als eines, wonach sie als Verräter gebrandmarkt werden. Und ich glaube nicht, dass die palästinensische Autorität den Israelis garantieren kann, dass ein solches Abkommen ein Ende des Konflikts bedeutet und es keine weiteren Forderungen geben wird.

Baskin: Wenn Arafat ein Abkommen unterschreibt, dann geht es darin um das Recht der Palästinenser, nach Palästina zurückzukehren, in den palästinensischen Staat und nicht in den Staat Israel. Wird er das überleben? Ich weiß nicht. Werden die Flüchtlinge das akzeptieren? Ich glaube, die Mehrheit der Flüchtlinge in der Westbank und in Gaza wird es akzeptieren.

al Qaq: Ich bezweifle, dass die Flüchtlinge so einem Abkommen zustimmen würden, und ich vermute, dass das Anlass für einen Aufschwung der Islamisten wäre. Das ist eine große Gefahr.

Baskin: Das populärste Fernsehen in der Westbank und im Gazastreifen ist der Sender der Hisbullah. Das ist ein echtes Problem. Die Sympathie der Palästinenser für die Fernsehsendungen der Hisbullah etc. nimmt zu, wenn hier das Leiden und die Gewalt zunehmen. Aber wenn wir in eine Periode des Friedens kommen, dann nimmt die Unterstützung für die Islamisten wieder ab.

Aber viele Leute sagen, sie wollen kein Abkommen.

Baskin: Das hängt vom Abkommen ab. Wenn sie 98 Prozent der Westbank bekommen, als richtige Souveränität, und ganz Ostjerusalem, und die Hauptstadt dort, und den Tempelberg . . .

Wird Barak dazu bereit sein?

Baskin: Wenn Barak ein Abkommen trifft, dann wird das etwa diesen Wortlaut haben, denn die Palästinenser werden etwas anderes nicht akzeptieren. Wenn es zu einem Abkommen kommt und das Leben wieder so aussieht wie zuvor, also die Gewalt hört auf, die israelischen Panzer kommen weg, die Waffen kommen weg, die Armee zieht sich zurück, die Grenzen werden geöffnet, Arafat setzt die Hamas-Aktivisten wieder fest, die er jetzt freigelassen hat und es gibt wieder eine Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, dann wird eine kleine Mehrheit der Israelis – keine große, aber eine ausreichende Mehrheit – das meiner Meinung nach unterstützen.

al Qaq: Aber was ist dann mit der Knesset? Die hat doch dann die selbe Zusammensetzung wie zuvor. Was, wenn die Knesset dagegen votiert?

Baskin: Ich denke, wenn Barak die Präsidentschaftswahlen gewinnt und dadurch ein neues Mandat durch das Volk hat, werden wohl 61 Knesset-Mitglieder dafür sein. Aber selbst wenn wir ein Worst-Case-Scenario aufbauen und sagen: Er schließt das Abkommen ab, und nicht er gewinnt die Wahlen, sondern Scharon – trotzdem wird jede künftige israelisch-palästinensische Verhandlung auf diesen Vorschlägen basieren. Es gibt keinen Weg zurück. Das weiß jeder.

Wird die Rechte nicht sagen: Schaut her, wir geben so viel, und trotzdem gibt es keinen Frieden, also geben wir lieber nichts?

Baskin: Wenn die Araber auch nach einem Friedensabkommen weiterschießen, dann haben wir ein Problem. Aber nicht jetzt. Die israelische Wählerschaft wird vor eine ganz klare Alternative gestellt werden: Friede, wie problematisch, schwierig und schmerzhaft auch immer – oder Krieg. Die Destabilisierung der ganzen Region wegen Mangels an Frieden und wegen der Intifada.

Aber in der israelischen Öffentlichkeit heißt es, dass die Intifada weitergeht, weil nicht hart genug durchgegriffen wird.

Baskin: Das ist Quatsch. Der Slogan: Lasst die Armee gewinnen, ist Unsinn. Nicht ein Rechter hat definiert, was es heißen würde, zu gewinnen. Heißt das, wir sollen Gaza zurückerobern? Sollen wir über 2 1/2 Millionen Palästinenser regieren? Das ist reine Demagogie.

al Qaq: Gershon, sie bauen hier überall Siedlungen.

Baskin: Ja klar, sie bauen überall!

al Qaq: Und was heißt das?

Baskin: Das heißt, Barak ist ein Idiot!

al Qaq: Und wer finanziert das?

Baskin: Die israelische Regierung, wer sonst?

al Qaq: Wem soll man also glauben: Seinen Händen oder seinem Mund?

Damit sagen Sie, was viele sagen: Dass es keinen Unterschied gibt zwischen Barak und Netanjahu oder Scharon . . .

al Qaq: Barak hat mehr Palästinenser getötet als irgendjemand sonst. Am wenigsten Absperrung der Gebiete in den letzten zehn Jahren gab es unter Bibi Netanjahu.

Baskin: Es gibt zwei Möglichkeiten. Wenn es jetzt nicht zu einem Abkommen kommt, dann verliert Barak die Wahlen, und das ist richtig so. Barak hat den Israelis gesagt, er würde Frieden bringen, und wenn er darin scheitert, dann muss er hinausgeworfen werden und darf nie wieder regieren. So wie auch Netanjahu nicht wiederkommen darf, denn er ist auch gescheitert. Die ganze Region besteht aus Politikern, die scheitern und in die Politik zurückkommen. Das ist doch nicht normal. Aber wenn Barak ein Abkommen zu Stande bringt, dann hat er zwar mehr Palästinenser getötet als die meisten isaelischen Regierungen vor ihm, aber das wird dann Teil der Geschichte sein.

Was denken Sie über die Intifada? Ist sie nützlich?

al Qaq: Die Intifada zeigt, wie fragil das Osloer Abkommen ist. In dieser Hinsicht ist sie nützlich. Nun wird der Preis dafür gezahlt, dass in Oslo ein schlechtes Abkommen abgeschlossen wurde. Das heißt, wir erleben jetzt die Oslokrise.

Baskin: Ich bin nicht seiner Meinung, was Oslo angeht. Ich glaube, es gab Probleme in dem Abkommen, und ich hoffe, die werden geregelt. Aber die Intifada ist nicht entstanden, weil es das Oslo-Abkommen gegeben hat, sondern weil es nicht umgesetzt worden ist. Beide Seiten haben sich in wichtigen Dingen nicht an die Vereinbarungen gehalten. Aber ich hoffe, dass irgendwann einmal diese Intifada als weiterer Schritt im Friedensprozess angesehen werden wird. Sie hat beiden Seiten und der internationalen Gemeinschaft gezeigt, wie hoch der Preis für den Frieden ist. Da gab es eine Menge Falscheinschätzungen, sowohl in Israel wie im Ausland, was die Palästinenser akzeptieren würden und was nicht. Darüber gibt es nun keine Missverständnisse mehr.