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: Dramaturgie des Scheiterns

Wromm! Die nächsten Kühe: Nr. 6 und 7. Die Dramaturgie des BSE-Seuchenzugs sorgt für therapeutisch ideale Intervalle. Sobald wir uns ein bisschen an den Schrecken gewöhnen, beim Schlachter schon mal wieder ein Auge riskieren und die schöne Fettmarmorierung eines schmackeligen Rumpsteaks betrachten, kommt prompt der nächste Keulenschlag. Die Krise in Zeitlupe. Das Timing erinnert an die wundersame Vermehrung der durch Europa vagabundierenden Dioxinfässer – die älteren Leser erinnern sich.

Kommentarvon MANFRED KRIENER

Zur Krise gehört auch ein Lernprogramm. Was wir bisher schon alles gelernt haben, ist beachtlich. Etwa dass man Kühe jahrelang mit toten Papageien, Katzen, Hunden, mit Hühnerkot- und Klärschlammanteilen gefüttert hat. Selbst verschnarchte Regionalzeitungen reden inzwischen ungeniert von „Scheiße im Futter“. Jetzt lernen wir gerade, dass die Wurstfabriken lügen, betrügen, manschen und panschen. Dass Rind drin ist, wenn Schwein draufsteht, manchmal auch ein bisschen Pferd. Noch warten wir auf den ersten Hund in der feinen Landleberwurst?

Die nächste Lektion heißt „Milchaustauscher“: Weil Milch zu kostbar ist und die Überschüsse lieber in Drittmärkte gedrückt werden als in Kälbermäuler, bekommt das Jungtier im modernen Stall Ersatzfutter, das man Milchaustauscher nennt. Ein möglicher Übertragungsweg von BSE, der bisher vernachlässigt wurde, ist genau diese Milchpulverplörre. Der Mix besteht aus getrockneter Molke plus Magermilch. Dazu, so lesen wir im Bauernblatt, kommen noch Vitamine und Mineralstoffe sowie „tierische Fette, die bei der Beseitigung von Schlachtabfällen und verendeten Tieren extrahiert werden“. Auch Kälber waren also bereits kurz nach der Geburt unfreiwillige Kannibalen, die mit Rinderabfall gemästet wurden. Der Appetit kommt beim Essen. Inzwischen ist derartiges Kälberfutter verboten.

Als Nächstes müssen wir dringend lernen, den Kanzler beim Wort zu nehmen: „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, weg von den Agrarfabriken zu kommen, werden wir es nie mehr schaffen!“ Dieses Versprechen Schröders ist da. Doch derzeit ist nicht einmal in Umrissen klar, wie die Reform der Agroindustrie aussehen soll. Nahe liegende Forderungen nach Bestandsobergrenzen in der Tierhaltung sind genauso tabuisiert wie das schlichte Verlangen nach Mindestpreisen für Fleischprodukte. Der Verbraucher ist in solchen Fragen längst weiter als die Politik. Wann reagiert bloß Rot-Grün?