Here comes the Super Böller

Wo Gregor Gysi, Wolfgang Lippert und Kinder mit angeklebten Bärten Feuerwerk und bunte Hüte kaufen: Ein Besuch bei einem Knall-und-Pfeiff-Fachhändler an der Frankfurter Allee. Die ersten Knaller werden gleich vor der Tür gezündet

Dass Silvester I. von 314 bis 335 lebte und der Sage nach von Kaiser Konstantin dem Großen getauft worden, ist weiß ja jeder. Auch dass Silvester am 31. Dezember 335 starb und als Heiliger verehrt wurde, ist niemandem neu, und dass sein Gedächtnis von der römisch-katholischen Kirche am 31. Dezember gefeiert wird, kann nur Gehörlosen entgehen. Doch was machen eigentlich die Verkäufer von Silvesterknallern an den anderen 362 Tagen des Jahres?

In der Frankfurter Allee zwischen Jung- und Finowstraße preist ein großes Transparent „idena Feuerwerk“ an. Aufgeblasene Raketen gehören zur Ausstattung eines kleinen Ladens, als Sonderangebot werden 160 China Super Böller für nur 35 Mark angeboten. Ein kleiner Blechkasten mit Schlitz für Rezepte weist noch auf die frühere Verwendung des Ladens hin: „Apothekennotdienst“. In dem Laden ist Hochbetrieb. Überraschungsblumen mit Party Knallern, Girlanden und Super 100 Maxi Star sind genauso im Angebot wie Glücksblei, Wunderkerzen und Knuddel Stars.

Man kann sich auch mit bunten Hüten aller Art ausstatten, die Aufschriften der Regale lassen ahnen, was dieses Silvester passieren wird: „Knall & Frösche“ oder „Knall & Pfeiff“. Die Erste, die ich befrage, ist eine Schülerin. Kathleen Fritz heißt sie und arbeitet normalerweise einmal in der Woche in einem Schreibwarenladen und Copyshop der Firma Conipa, die außer in Berlin noch in Schwedt und Eberswalde Filialen hat. Diese normalen Filialen werden für die Knallerverkaufstage hergerichtet, aber eben auch andere Läden für eine Woche angemietet.

Den ganzen Dezember liefen die Vorbereitungen für die drei Tage, die sie hier Feuervögel oder Kanonenschläge verkaufen. Ihr Vater, wie alle Verkaufskräfte im Laden mit Karnevalsmütze bekleidet, heißt Peter Fritz und verkauft seit 1994 zum Jahreswechsel Blockbuster, Bodenfeuerwerk und Konfetti. Obwohl es Tage erhöhten Stresses sind, ist es für ihn doch eine angenehme Abwechslung zum normalen Berufsalltag. Herr Fritz verkauft Kopiergeräte, ist also Handlungsreisender für hauptsächlich gewerbliche Kunden. Die Anmietung und Ausstattung von insgesamt acht zusätzlichen Läden in Berlin hat er übernommen. Die Mietverträge laufen über 8 bis 14 Tage. Er kennt inzwischen Makler und Hausbesitzer, die sich auf diese Sonderbedingungen einlassen.

Die bei Journalisten unvermeidliche Frage nach bemerkenswerten Ereignissen während der Verkaufstage beantwortet er mit prominenten Kunden. Gestern kaufte Gregor Gysi hier Knaller, letztes Jahr kam Wolfgang Lippert gar erst nach Ladenschluss und bestand darauf, die Feuerwerkskörper direkt vom Lastwagen zu kaufen. Kinder mit Vollmachten der Eltern tauchen regelmäßig auf, selbst mit den Ausweisen ihrer Erzeuger versuchen sie, die Bestimmungen, die den Verkauf erst an 18-Jährige erlauben, zu umgehen.

Selbst Kinder mit angeklebten Bärten versuchten schon auf diese Art, älter zu wirken. Vor der Tür besprühen sich froh gelaunte Kunden mit Spaßschaum, die ersten Knaller werden gezündet. Der Geräuschpegel steigt.

FALKO HENNIG