Die entzauberten Zauberer

Wettbewerb um den Goldenen Däumling für die größte Bauchlandung des Jahres. The Nominees :

von MATTI LIESKE

Marie-José Perec: Die spektakulärste Flucht seit Richard Kimble inszenierte die französische 400-m-Läuferin in Sydney. War es das Wissen um die Überlegenheit der Australierin Cathy Freeman oder doch ein abgefeimtes Komplott der Australier, die ihr reihenweise Dunkelmänner ins Luxushotel schickten? Wir werden es nie erfahren, zumindest nicht in diesem Jahr, denn Perec ist nach wie vor untergetaucht.

Bayer Leverkusen: Erst Haching, dann Koks, dann Berti, nur Calmund währt ewig – schlimmer kann es kaum kommen. Oder doch?

C. J. Hunter: Der dünnhäutigste Dickhäuter der Leichtathletik legte die Kugel beiseite, als festgestellt wurde, dass sein Körper mehr Nandrolon als Blut enthielt, ließ es sich aber nicht nehmen, beim gescheiterten Multigold-Unternehmen seiner Gattin Marion Jones in Sydney das feuchtäugige Maskottchen zu spielen.

Mario Basler: Vom Bayern-Rekonvaleszenten zum Lautern-Reservisten. Ein Abstieg erster Güte. Macht aber nichts: Er selbst hält sich immer noch für den Größten.

Erich Ribbeck: Wer?

Uli Hoeneß: Der Medienprofi als armes Opfer. Nachdem er den wilden Gerüchten um den designierten Bundestrainer Daum mit seinen öffentlichen Äußerungen „zum Wohle des Fußballs“ quasi einen offiziellen Stempel verliehen hatte, wurde ihm Unrecht getan „wie niemals jemandem zuvor“. Sogar die Bremer pfiffen, pfui! Fehlt eigentlich bloß noch, dass ein BSE-Würstchen in seiner Fabrik entdeckt wird.

Karl-Heinz Wildmoser: Dem armen Mann wird Unrecht getan wie niemals jemandem zuvor, dabei hat er doch 1860 München mit Werner Lorant von der Amateurliga bis ... blablabla.

Lothar Matthäus: Down and out in Manhattan. Drei Länderspiele zu viel, Karriereende als ins Leere stochernder Hampelmann, an eine Trainerzukunft glaubt nur noch Beckenbauer. Nicht mal die USA wollen ihm noch Gnadenbrot geben. Aber die haben ja jetzt auch Doris Fitschen. Und Kristin Lilly, die bald ein gutes Hundert mehr an Länderspielen hat als Lodda Nimmersatt.

Jan Ullrich: Ein Schokoriegel zu viel, schon war der Ami weg. Ein Sieg „im wohl bedeutendsten Eintagesrennen des Jahres“ (Olympia) als schwacher Trost.

Bernd Krauss: Unfähigster Feuerwehrmann seit Prometheus. Nachfolger in Dortmund wurde Lattek. Das sagt alles.

Jens Lehmann: Wenn der Kahn leck ist, lacht bloß der Butt.

Nicolas Kiefer: Champions Race statt Road to Hannover – nicht die Sache des Daviscup-Abstinenzlers. Dann lieber Olympia – und wenn es nur für eine Runde ist.

Graciano Rocchigiani: „Ick war satt“, sagte der Schatten eines einstmals für seinen Kampfgeist gerühmten Faustkämpfers nach ein paar Ründchen mit dem Kollegen Michalczewski, den er vorher nicht nur als „dummen Polen“, sondern auch als vernachlässigenswerten Boxer bezeichnet hatte. Der Dumme war am Ende nur einer.

Alexander Leipold: Der erste Olympiasieger, der an seinen Essgewohnheiten scheiterte. Als Popeye der Moderne stopfte der Ringer alles in sich hinein, was Kraftzuwachs versprach, und ließ die aktuelle Sportlerweisheit Nummer eins außer Acht, dass nicht überall drin ist, was draufsteht. Sein Gold hat jetzt ein Ami.

Dino Zoff: Trat den Beweis an, dass nicht jede Mumie ein dickes Fell hat. Nachdem seine italienische Riegel-Riege im Finale der Fußball-EM knapp an französischer Gewitzheit gescheitert war, trat er mit gewohnt unbewegter Miene zurück, weil ihm ausgerechnet Exministerpräsident Berlusconi „Intelligenz“ abgesprochen hatte. Quod erat demonstrandum.

Alexander Karelin: Der Duma-Abgeordnete kam als unbesiegbares Ringermonster nach Sydney und ließ sich dann von Hinterwäldler Rulon Gardner nicht aufs Kreuz, aber reinlegen.

Jeremies/Hamann/Babbel: Die missratenste Verschwörung seit Catalina fand vor der EM im mallorquinischen Quartier der Fußballnationalmannschaft statt. Merke: Sogar eine jämmerliche Flasche lässt sich nicht im Vollrausch stürzen.

Abel Xavier: Der Mann mit dem überflüssigsten Arm und dem herzzerreißendsten Blick im Weltfußball.

Daum himself: Vom Heimatlosen in Florida zum Haarlosen in Teheran. Traurige Perspektive eines entzauberten Zauberers.