Der längste Flop Europas

Kaum jemand nutzt die 16 Milliarden Mark teure Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden. Statt 3.000 Autos pro Stunde nur 6.000 am Tag

STOCKHOLM taz ■ Sie ist der mit 15.950 Metern der längste Flop Europas: die Öresundbrücke, die Dänemark und Schweden verbindet. Rund 3.000 Autos sollten pro Stunde das 16-Milliarden-Mark-Projekt passieren, schwärmte das Brücken-Konsortium zur Einweihung vor einem halben Jahr. Jetzt sind es 6.000. Am Tag. Geht es auf diesem Niveau weiter, kommt es mindestens zu einer Verdoppelung der auf 30 Jahre bemessenen Dauer der Baukostenrückzahlung durch Einnahmen aus der Brückenmaut. Falls diese überhaupt damit getilgt werden können.

Das, was die PolitikerInnen auf beiden Seiten des Öresunds zusammenwachsen sehen wollten, gehört offenbar nicht zusammen. Von den großartigen Träumen einer grenzüberschreitenden Öresundregion ist noch nicht viel zu sehen. Das Interesse, am anderen Ufer zu arbeiten, zu wohnen oder zu studieren, ist so niedrig geblieben wie zu brückenlosen Zeiten. Nur knapp 1.000 von 150.000 Studenten haben sich von einer seit 1997 laufenden intensiven Werbeaktion dazu bringen lassen, doch mal einen Kurs oder ein Seminar auf der anderen Seite zu belegen. Der Einkaufsverkehr über den Sund ist recht einseitig: Die SchwedInnen schaffen überlebenswichtigen Billigalkohol vom „Kontinent“ statt mit der Fähre jetzt über die Brücke ins Land. Die DänInnen locken allenfalls die auch sonntags geöffneten Geschäfte hinüber nach „Asien“. Das für sie in Schweden beginnt.

Und dafür nehmen sie nicht ihren eigenen Pkw, sondern die im 20-Minuten-Takt pendelnde Bahn über den Öresund. Mit der kommt man bequem vom Zentrum Malmös zum Zentrum Kopenhagens, hat keine Parkprobleme, kann Bierkästen, Wein- und Schnapskartons bequem auf eigens entwickelten klappbaren Einkaufsrollern mitnehmen, und sie ist wesentlich billiger.

Eine Pkw-Tour über den Sund kostet 50 Mark – diesen teuren Spaß haben die meisten KopenhagenerInnen und MalmöerInnen sich, wenn überhaupt, nur einmal geleistet. Während man in den schicken Zügen oft nur einen Stehplatz bekommt, gähnen einen die großzügig angelegten Autospuren vor den Mautstellen weitgehend leer an. Neben den Einheimischen ist auch eine weitere gedachte Benutzergruppe für die Brücke weggefallen: die Lkws. Die Brummis bevorzugen Autofähren. Man spart damit nicht nur Geld und im Fernverkehr einen 50 Kilometer langen Umweg: Die halbstündige Passage wird von vielen TruckerInnen passend als die Rastzeit eingeplant, die sowieso auf dem Fahrtenschreiber auftauchen muss, und ist zusätzlich eine geschätzte Kaffee- und Tratschpause. Von einer „Katastrophe“ will Ajs Dam, Informationschef des Brücken-Konsortiums nicht sprechen: Er hofft, dass nächsten Sommer der Ferienverkehr die Statistik verbessert.

REINHARD WOLFF