Die Info-Box ist abgegessen

Fünf Jahre lang ermöglichte der rote Kasten am Leipziger Platz 9 Millionen Besuchern den Blick in die Baugruben. Am Samstag feierten 1.000 Gäste den Abriss der Box. Deren Reste wurden für die Aktion „Gesicht zeigen“ versteigert

Das Ende eines erfolgreichen Marketingkonzeptes ist eine Benefiz-Party in der Dimension einer Fernsehgala im ZDF. Es gibt einen roten Teppich und einen guten Zweck. Die Garderobe der rund 1.000 geladenen Gäste ist festlich, die Gänseleberhäppchen sind delikat. Und auch die Größe der Marzipantorte zeigt, dass hier etwas Besonderes gefeiert wird. Inszenierung gehörte immer zum Programm der Info-Box am Leipziger Platz. Das war auch bei ihrem letzten Abend nicht anders. Sogar Tränen sollen am Samstag bei den Kollegen zum Abschied geflossen sein, sagt eine Mitarbeiterin traurig in die Kameras. Weiter hinten schneidet der Stadtentwicklungssenator im Blitzlicht der Fotografen den Kuchen an. Die Schauspielerin aus dem Praxis Bülowbogen winkt mit dem Sektglas in der Hand.

Nüchtern betrachtet war die Info-Box ein 10,5 Millionen Mark teurer provisorischer roter Kasten auf Stelzen, der fünf Jahre lang den Blick auf eine Baustelle ermöglichte. Eine Art Computerkino zeigte obendrein die Vision des fertigen Baustellenproduktes: den Potsdamer Platz. Ob das so spannend sei, wagten anfangs viele zu bezweifeln. Tatsächlich bestiegen jedoch neun Millionen Besucher die Box. Die rote Kiste wurde vom Aussichtspunkt erst selbst zu einem Wahrzeichen der Stadt, dann zum Kultgegenstand. Fans konnten die 300 roten Fassadenteile seit Anfang Oktober im Internet ersteigern. Und das Internet-Auktionshaus eBay verglich den historischen Wert dieser Objekte mit den Betonplatten der Berliner Mauer.

So konnten sich denn bei der Abschiedsparty der Info-Box-Betreiber Dirk Nishen und die beteiligten Firmenvertreter von DaimlerChrysler, Sony und der Deutsche Bahn stolz und ein bisschen wehmutig auf die Schultern klopfen. Viele Gäste trugen solidarisch rote Kleidungsstücke. Das Partnerunternehmen Deutsche Telekom hatte im ersten Stock eine Caipirinha-Bar aufgestellt. Und nach dem Auftritt einer Folkband, sprach SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder gar von der Info-Box als „weltweit erfolgreichstes Modell modernen Baustellenmarketings“, mit dessen Hilfe „der Potsdamer Platz wieder pulsiert“.

Ob es nach der Demontage am 4. Januar anderswo eine neue Info-Box geben wird, ist unklar. Bei den Baustellen der Zukunft – Alexanderplatz, Leipziger Platz und Lennédreieck – sei kein ähnliches Projekt geplant, sagte Strieder. Dann lobte er Berlin als die Stadt mit den drittmeisten Büroflächen. Es klang ein wenig trotzig, als er hinzufügte, hier gebe es auch nicht mehr Leerstand als in Paris und London. Diesen Vergleich hörten die Gäste gern. Nicht umsonst hatten die Damen das Schulterfreie angezogen, die Herren Anzug. Zufrieden schubsten sich alle zum Buffet.

Den Rest des Abend moderierten das Schauspielerehepaar Michaela Merten und Pierre Franckh. Ihn hatte man das letzte Mal vor langer Zeit bei Tatort mitspielen sehen. Jetzt sagte er: „Wir sind seit sieben Jahren ein glückliches Paar.“ Und wie bei einem etwas biederen Musikabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen scherzten sich die beiden weiter artig vom Programmpunkt zu Programmpunkt: Einmal sang ein Tenor auf der Treppe. Dann kam eine Klezmerkapelle, schließlich die „Berlin Comedian Harmonists“ mit „Veronika, der Lenz ist da“.

Höhepunkt war jedoch die Versteigerung der letzten sechs Fassadenelemente der Info-Box. Auf den Platten 001 und 002 hatten viele Prominente unterschrieben, darunter Gerhard Schröder, Hans Eichel, Hape Kerkeling, Franziska von Almsick und Hildegard Knef. Und bereits um 19.30 Uhr lag das Gebot für Platte 01 bei 5.000 Mark. Gegen 22 Uhr ging dieses Objekt schließlich für 25.000 Mark an Helmuth Penz, den Chef der Hotelkette „Sorat“. Er will sein Stück Info-Box nun in einer Hotellobby aufhängen. Den Erlös der Versteigerung – insgesamt 133.794 Mark – bekam die Aktion „Gesicht zeigen! Aktion für ein weltoffenes Deutschland e. V.“, unter der Schirmherrin Bundeskanzler-Gattin Doris Schröder-Köpf. Dirk Nishen überreichte den großen Spendenscheck an den Abgesandten von „Gesicht zeigen“, den Entertainer Ron Williams. Der sang zum Dankeschön ein Lied gegen Rassismus. Viele gingen ihre Mäntel holen.

KIRSTEN KÜPPERS