herr hefele kriegt zwei minuten: ALBERT HEFELE über Nostradamusens Weisheit und den Mann, der den Schweinedarm bändigt
Der plappernde Geck mit dem Bronzebart
Es bleibt einem ja nichts anderes übrig. Zum Jahresbeginn. Rückblick oder Vorausschau. Sonst tut sich eh nix. Außer Vierschanzentournee und Hallenfußball verharrt der Sportbetrieb im Winterschlaf. Wenn man rückwärts guckt, was sieht man? Drogen über Drogen. Dieses Jahr 2000 war ein Drogenjahr. Ich will keine Namen nennen und wenn, nur die von denen, die nicht gedopt waren. Weil: das ginge schneller. Har, har, ich weiß. Jedenfalls: Sogar die Behinderten bei den Paralympics waren gedopt. Glauben Sie aber nicht, dass mich diese Entwicklung irgendwie unvorbereitet getroffen hätte. Ich hab das gewusst. Ulla kann’s bezeugen. Ich sag: „Ulla“, sag ich, „du bist mir doch sklavisch ergeben?“ Und Ulla: „Klar, tu mit mir, was du willst!“ Und ich: „Also gut, dann hör mir mal genau zu: Dieses Jahr wird das Jahr der Drogen!“ Und Ulla: „Sonst nichts? Bzw.: Woher willst du denn das so genau wissen?“ Und ich: „Wegen dem Nostradamus.“ Sie: „Heißt es nicht: wegen des Nostradamusses?“ Nun gut, das ging noch so ein Weilchen, dann hole ich meinen Nostradamus-Almanach heraus, und wir blättern ein wenig. Und was lesen wir?
Und vom Himmel werden nimmer Flocken fallen zur Wende
Wohl aber Schnee in langen Reihen, sich auf den Spiegeln rotten
Diese – zugegeben – hölzern formulierte Voraussage hatte seinerzeit den Nostradamus-Gegnern (Ulla!) viel Stoff für ätzende und zynische Kommentare geliefert: „Was soll denn dieses Gefasel?“ Weißt du noch, Ulla? Heute wissen wir es alle besser, und Ulla!, du kannst dich schon mal ins kleine Härene werfen. Denn es geht noch weiter:
Nimmer meiden jene mit den Nasenrohren heilige Orte
Rüsseln vielmehr auch neben der Kotschüssel unter der Kuppel.
Kokain im Reichstagsklo. Mehr sag ich nicht. Können Sie sich erinnern? Na? Aha. Ruhe unter der Lästererschar. Seit dieser Zeit trage ich meinen Nostradamus-Almanach ständig mit mir. Und wenn es irgendeine Entwicklung gibt, der ich nicht so recht auf die Schliche komme und es mir an Entscheidungshilfen mangelt – ein Blick in den Almanach genügt, und es fällt mir wie Schuppen von den Augen.
Beispiel: die Daum-Affäre. Ist Daum schuldig der ungehörigen Rauschmittelzufuhr, oder soll man den vorlauten Hoeneß geißeln? Ich muss zugeben: Ich hatte zeitweise keine Ahnung! Wenn da nicht mein Almanach gewesen wäre. Gut, es hat ein Weilchen gedauert, bis mir klar war, wer der „plappernde Geck mit dem Bronzebart“ der „durch die bunten (TV) Kisten taumelt“ sein soll bzw. zu wem der männliche Arm gehört, „der auch den Schweinedarm bändigt“. Nie wurde der Wurstfabrikant Uli Hoeneß lyrischer umschrieben. Finden Sie nicht? Auch die nicht enden wollenden Haarproben: „Für und für ...“ Aber lesen Sie einfach selbst:
Und es wird der plappernde Geck mit dem Bronzebart
Wie ein großer Schreckenskönig durch die bunten Kisten taumeln
Bis ihn ein männlicher Arm wird bändigen, dem Schweinedarm gleich.
Und er wird sich den Haarschopf zausen. Für und für.
Gleich dem Triumphator mit dem krautlockigen Haupte –
Der das Siegesbanner schwenkt über dem zweiten Mongolenführer.
Übrigens: Rudi Völler wurde von den online-usern der Welt zum „Menschen des Jahres 2000“ gewählt. Hauchdünn vor Nordkorea-Chef Kim Jong II.
Fotohinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über die fundamentalen Dinge des Lebens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen