Sei schlau, geh weg vom Bau!

Trotz leichter Entspannung auf dem Arbeitsmarkt: Die Jugendarbeitslosigkeit steigt in Berlin dramatisch. Ganz im Gegensatz zum Bundestrend. Hauptursache ist die Krise der Baubranche. Dort hatten bisher viele Jugendliche ohne Ausbildung einen Job

von RICHARD ROTHER

Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Berlin zum Jahresende hin deutlich gestiegen. Trotz einer leichten Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ist auch in diesem Jahr kaum eine Besserung in Sicht. Knapp 30.000 Jugendliche unter 25 Jahren waren Ende November arbeitslos gemeldet. Ihr Anteil liegt nach den zuletzt vorliegenden Zahlen bei 18,1 Prozent. Das entspricht einem Anstieg von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Bundesweit liegt der Anteil der Unter-25-Jährigen an den Arbeitslosen bei gerade mal 8,4 Prozent, in den alten Ländern sind es nur 6,6 Prozent. Während dort die Quote im Jahr 2000 erheblich sank, ist sie in Berlin gestiegen – sogar deutlicher als in Brandenburg.

Hauptursache für den Anstieg ist die Krise der Baubranche in Berlin, die sich 2001 noch verschärfen wird. In dieser Branche finden überdurchschnittlich viele Jugendliche, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, einen Job – ebenso in den baunahen Berufen wie Maler und Zimmerer. Fehlen Aufträge, sind ungelernte Jugendliche jedoch die ersten, die entlassen werden. „Da gibt es eine große Fluktuation“, sagt Landesarbeitsamtssprecher Klaus Pohl. Zwar fänden viele Jugendliche leichter als ältere Arbeitslose einen neuen Job. Meist aber wieder nur für kurze Zeit. „Da ist ein Kommen und Gehen.“ Viele Bauarbeiter würden jetzt in die Wachschutzbranche drängen.

Eine mangelnde Unterstützung durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sieht Pohl nicht. Im Rahmen des Sonderprogramms zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit der Bundesregierung seien die Betroffenen befragt worden. Das Ergebnis: „Ein Großteil der Ungelernten strebt keine Ausbildung an.“ Pohl zeigt dafür Verständnis. Schließlich haben sich die Betroffenen an einen gewissen Lebenstandard gewöhnt, verdienen um die 2.000 Mark netto. Würden sie eine – staatlich geförderte – Ausbildung anfangen, blieben ihnen mitunter nur 500 Mark. Pohl: „Viele sind es gewohnt, sich von einem Job zum nächsten zu hangeln.“ Langfristig würden sie aber Probleme bekommen, da der Anteil der gering qualifizierten Beschäftigung immer geringer werde. Zumindest statistisch verschwindet das Problem ohnehin – wenn die Betroffenen älter als 25 sind.

Für den DGB-Landesvize Bernd Rissmann ist der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit eine „schlimme Sache“. Das Sofortprogramm der Bundesregierung sei nur fortgeschrieben worden. „Da müssen wir aber draufsatteln, wenn wir die Arbeitslosigkeit nachhaltig bekämpfen wollen.“ Zudem hätten große Arbeitgeber wie der öffentliche Dienst oder die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte viele Arbeits- und Ausbildungsplätze abgebaut. Das Problem wäre ohnehin viel größer, würden nicht jährlich tausende Berliner und Brandenburger Jugendliche in den Westen abwandern, um dort eine Ausbildung zu beginnen. Rissmann: „Die Region verliert enorm viel kreatives Potenzial, weil sie jungen Leuten keine Perspektive gibt.“ Wer den Mut habe, seine Freunde und die gewohnte Umgebung zu verlassen, zeige genau die Mobilität, die heute so gefragt sei. Die gründeten dann woanders ihre Firmen. „Wir sehen die nie wieder.“