Tod im Frachtraum

Die Havarie eines Flüchtlingsschiffes vor der türkischen Küste kostet vermutlich 50 Menschen das Leben

ISTANBUL taz ■ Vermutlich 50 Menschen sind am ersten Tag des neuen Jahres bei einem Schiffsunglück vor der türkischen Südküste ertrunken. Sechs Tote konnten bereits geborgen werden, 44 Menschen werden noch vermisst. Bei den Toten handelt es sich um Flüchtlinge, die in dem Frachter versteckt auf dem Weg nach Griechenland waren. Nach Angaben der türkischen Behörden sollen insgesamt 83 Menschen an Bord gewesen sein. Das Schiff strandete am Montag vor Kemer, einem bekannten Touristenort 20 Kilometer westlich von Antalya. Die „Pita“, ein Cargo-Schiff unter georgischer Flagge mit einem griechischen Kapitän, hatte zuvor vier Tage im Hafen von Antalya gelegen, angeblich um Zement zu laden. Da wegen der Bayram-Feiertage in der Türkei nicht gearbeitet wurde, habe der Kapitän sich dann entschlossen, leer nach Athen auszulaufen.

Zwanzig Kilometer westlich von Antalya lief der Frachter auf einen Felsen und brach auseinander. Die Ertrunkenen waren vermutlich unter Deck in dem Teil des Schiffes, das nach der Kollision gesunken ist, eingeschlossen. 33 Menschen, darunter der Kapitän und fünf weitere Besatzungsmitglieder, konnten gerettet werden. Ein Mann wurde noch am Dienstagmittag aus der stürmischen See geborgen, für die weiterhin 44 Vermissten gibt es kaum noch Hoffnung. Mitarbeiter der Rettungsteams berichteten im türkischen Fernsehen, bei den Geretteten handele es sich um Pakistanis, Iraner und Marokkaner.

Nach Angaben der Reederei kam die „Pita“ aus dem israelischen Hafen Askalon. Der Kapitän wurde unter Arrest gestellt, um zu klären, wo und wie die Flüchtlinge auf die Pita kamen und warum der Frachter trotz Sturmwarnung und Problemen mit der Maschine auslief. Vermutlich wollte sich der Kapitän das schlechte Wetter zunutze machen, um unbemerkt seine menschliche Ladung absetzen zu können.

Für viele Flüchtlinge aus Zentralasien und dem Nahen Osten ist die Türkei das Sprungbrett nach Westeuropa. Von hier aus werden sie von immer skrupelloser agierenden Schleppern nach Griechenland oder Italien gebracht. Dabei kommt es immer wieder vor, dass Schiffsbesatzungen die Flüchtlinge auf hoher See aussetzen oder selbst das Schiff verlassen, um nicht von der Küstenwache erwischt zu werden.

Erst im letzten Jahr ertranken acht Menschen dabei in der Ägäis und über 800 wurden von der italienischen Küstenwache gerettet, die ein von der Mannschaft verlassenes Schiff rechtzeitig bergen konnte.

JÜRGEN GOTTSCHLICH