Das Land der 12.000 Greise

■ Bremens Statistiker haben in die Zukunft geschaut: Das Land schrumpft katastrophal, wenn nicht genug Migranten kommen

Im Jahr 2050 wird das Land Bremen weit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner verloren haben. Dann werden nicht mehr – wie noch im Februar 2000 – 662.638 Menschen in Bremen und Bremerhaven ihr Glück suchen, sondern nur noch knapp 550.000. Und das ist noch die optimistischere der beiden Modellrechnungen, die das Statistische Landesamt jetzt veröffentlicht hat. Sie sind Teil der „9. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung“, die bundesweit stattfindet. Im ungünstigsten Fall könnte demnach die Einwohnerzahl auf unter eine halbe Million sinken – wenn zu wenig Menschen aus dem Ausland nach Bremen kommen.

Statistiker wie Karl Schlichting, der die Studie verfasst hat, nennen es „Wanderungsgewinn“, wenn mehr Migranten in Bremen bleiben als das Land wieder verlassen. Bis ins Jahr 2008 müsste ihre Zahl auf 2.200 jährlich steigen – und dann konstant bleiben. Bliebe nur die Hälfte von ihnen, würde sich der Geburtenrückgang ungebremst auswirken. Im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte hält Schlichting den höheren Wert für „eher wahrscheinlich“. Indes: In der zweiten Hälfte der 90er Jahre habe sich die Zuwanderung auch in Bremen der niedrigeren Berechnungsvariante angenährt.

Als Ursachen gelten unter anderem das Schengener Abkommen zum Asyl, das Abklingen der „Aussiedlerwellen“ aus Osteuropa sowie das Ende des „heißen“ Balkan-Konflikts. Der Bremer Statistiker empfiehlt jedoch, nicht planlos auf die nächste Krise zu warten. Man solle sich stattdessen auf eine neue, moderate Ausländerpolitik verständigen, die die Zuwanderung erleichtert. Ob die Einführung von Green- und Bluecard, die Schlichting als positives Beispiel nennt, Bremens Bevölkerungsentwicklung in irgendeiner Weise beeinflusst, ist allerdings unwahrscheinlich: Bisher haben hierzulande erst elf Männer und Frauen von den neuen Angeboten Gebrauch gemacht, teilen Arbeitsamt und das Innenressort mit.

Dass die Bevölkerung in Bremen wie auch in der gesamten Bundesrepublik sinkt – und das möglicherweise drastisch –, ist in erster Linie auf das Fortpflanzungsverhalten zurückzuführen. Jede Frau bringt statistisch gesehen nur noch 1,37 Kinder zur Welt. Nötig wären durchschnittlich 2,1. Die Bremerinnen lassen sich überdies zunehmend Zeit mit der Vermehrung – die maximale Gebärfreude stellt sich inzwischen erst nach dem 28 Geburtstag ein. Während 1998 noch 6.100 neue Landeskinder zur Welt kamen, rechnen die Statistiker mit einem Rückgang auf 4.900 bis zum Jahr 2010. 40 Jahre später sollen es nur noch 4.100 sein – und das im positiven Fall. Gleichzeitig steigt der Anteil der über 60-Jährigen auf ein Drittel der Gesamtbevölkerung (1998: 24,5 Prozent). Zahlenrekorde feiern die medizinisch gut versorgten über 9-Jährigen: Sie könnten sich zur Jahrhunderthälfte in Bremen weit mehr als verdoppelt haben. Die Folgen: Es wird weniger Kindergartenkinder geben, möglicherweise über 100.000 weniger Erwerbsfähige (1998: 378.700), mehr Rentner.

Gegen diesen Gesamttrend ist auch nach Auskunft des Wirtschaftsressorts nicht anzukommen. Vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer, auch in Sachen Länderfinanzausgleich: Die Bevölkerungs-verluste zugunsten des Umlands, die Bremen in den letzten Jahren gebeutelt haben, sollen 2000 erstmals zurückgegangen sein. hase