Tod für Falun Gong

In China kommen immer mehr Anhänger der verbotenen Sekte Falun Gong in Gefängnissen und Lagern zu Tode

BERLIN taz ■ Seit dem Verbot der taoistisch-buddhistischen Meditationsbewegung Falun Gong in China sind wahrscheinlich an die hundert ihrer Anhänger in Gefängnissen und Arbeitslagern der Volksrepublik zu Tode gekommen. Falun Gong spricht von 106 Foltertoten seit dem Verbot der sektenartigen Bewegung im Juli 1999. Die Identität der Toten wird im Internet (www.minghui. org) angeführt. Das Hongkonger „Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie“ zählt 92 Todesfälle.

Jetzt haben auch erstmals offizielle chinesische Stellen zahlreiche Todesfälle eingeräumt. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua sprach in einer Meldung zum Jahreswechsel von 20 Toten, die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften spricht auf ihrer Webseite von „ein paar Dutzend Toten“. Dabei handle es sich jedoch um Kollektivselbstmorde oder um Irregeführte, die aus Bussen gesprungen seien, mit denen sie von der Polizei abtransportiert wurden.

Am Neujahrstag nahm die Polizei auf Pekings Tiananmen-Platz weitere 700 Anhänger von Falun Gong fest, die gegen die Unterdrückung protestieren wollten. Nach Falun-Gong-Angaben wurden bisher über 50.000 Anhänger verhaftet. Zwar wurden die meisten nur kurzzeitig inhaftiert, manche auch mehrfach. Doch internationale Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international sprechen von rund 10.000 Verurteilungen zu Arbeitslagern und etwa 600 Zwangseinsweisungen in psychatrische Anstalten.

Auch im Ausland gehen Chinas Behörden gegen Falun Gong vor. Wer zum Beispiel in Deutschland als Anhänger von Falun Gong identifiziert wird, dem verweigert die Botschaft die Verlängerung des Passes. Probleme gibt es auch bei der Berufsausübung in chinesischen Auslandsfirmen.

Bei Besuchen in China schützt auch ein ausländischer Pass nicht. Der kanadische Staatsbürger Zhang Kunlun wurde im November 2000 beim Besuch in seiner alten Heimat zu Arbeitslager verurteilt, wozu in China kein Gerichtsverfahren nötig ist. Teng Chunyan, eine Chinesin mit US-Green-Card, wurde im selben Monat für drei Jahre hinter Gitter gebracht.

Peking duldet auch nicht, wenn ausländische Journalisten zu sehr von der amtlichen Sprachregelung abweichen. So wurde Beatrice Turpin, die AP-Korrespondentin in Peking, Ende 1999 des Landes verwiesen, weil sie an einer Falun-Gong-Pressekonferenz in Guangzhou teilgenommen hatte. Nach derselben Pressekonferenz wurde ihre chinesische Kollegin Gu Linna, Fernsehmoderatorin der Stadt Shijiazhuang, verhaftet.

Chinas Führung hat nicht mit der anhaltenden Hartnäckigkeit der friedlich protestierenden Falun-Gong-Anhänger gerechnet, als sie voreilig schon Mitte 2000 den Kampf gegen den „verderblichen Kult“ als erfolgreich beendet erklärte. Peking ist auch zunehmend von den Aktivitäten der Falun-Gong-Anhänger in westlichen Staaten beunruhigt. In den USA haben bereits mehrere Parlamente von Bundesstaaten und Städten einschließlich New York City so genannte Falun-Gong-Tage oder -Wochen eingerichtet. Andere Stadtregierungen bedachten den im US-Exil lebenden Falun-Gong-Gründer und -Guru Li Hongzhi, den Peking am liebsten per internationalem Haftbefehl fangen möchte, mit Kulturpreisen. Über 30 Abgeordnete aus den USA, Kanada, Großbritannien und Taiwan haben Li inzwischen sogar für den Friedensnobelpreis 2001 vorgeschlagen. UWE STEIN