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Tote sagen aus – Die Geschichte der Gerichtsmedizin

(Di. u. Mi., 22.15 Uhr, ZDF)

Das riesige, gebogene Skalpell gleitet mühelos durch die Bauchdecke. Wo die Wunde auseinander klafft, wird gelbes Fettgewebe sichtbar. Darunter ahnt man das Rot von Muskelmasse und Organen „uäch, pfui Deibel, schalt um!“

Wenn Christian Feyerabend und Uwe Kersken Bilder aus der Gegenwart der Gerichtsmedizin zeigen, wird es richtig eklig. Da hat man keine Zweifel mehr, dass es für einen Pathologen ziemlich wichtig ist, „dass man ein stabiles Weltbild besitzt“, wie der Wiener Gerichtsmediziner Ludwig Reiter erzählt. „Dann fällt es leichter, den Umgang mit dem Tod täglich zu pflegen“. Wer zur Hölle will das denn? Na, egal. Die Reise durch die Geschichte der Gerichtsmedizin ist für jeden durchschnittlich blutrünstigen Zuschauer faszinierend. Sie beginnt 1302 mit dem Fall des „Schwarzen Azzolino“, der wegen des Verdachtes auf Vergiftung aufgeschlitzt wurde, und endet fast 700 Jahre später beim genetischen Fingerabdruck. Auf dem Weg bedienen sich die Autoren von Zeit zu Zeit des zweifelhaften Kunstgriffes, Szenen aus längst vergangenen Zeiten nachzustellen. Das sieht dann ein bisschen nach Mantel-und-Degen-Parodie aus, ist aber zum Glück sparsam eingesetzt und manchmal sogar ganz lustig. Gegen Ende überwiegen ohnehin Originaldokumente, Interviews und Fotos aus neuerer Zeit. Besonders die Bilder der Tatorte aus der letzten Jahrhundertwende mit ihren dazugehörigen Leichen, die zum Teil verkrümmt oder verschnürt, aber immer blutig auf dem Boden liegen, befriedigen die niederen Instinkte auf hervorragende Weise. „Tote sagen aus“ verharrt aber nie zu lange auf der „Uäch-ist-das-schön-schaurig-Ebene“, sondern erzählt die Geschichte der Gerichtsmedizin vom Tabubruch der ersten Sektion bis zu juristischen Präzedenzfällen, die für die Anerkennung neuer Beweisverfahren sorgten.

Nur am Ende klingt Robert Redford – seine deutsche Stimme ist ansonsten natürlich 1 a – dann leider etwas pathetisch, wenn er Verbrämtes über Kain und Abel und die Natur des Menschen vom Stapel lässt. Davon abgesehen wird der Einführung einer Datei mit den genetischen Codes aller Menschen – ja, auch Ihrem – ein bisschen zu sehr das Wort geredet, aber das liegt ja wohl im Trend. HEIDI

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