Kohls Akten bleiben bis Juni privat

Die Stasi-Beauftragte Birthler hält ihre Schränke vorerst geschlossen: Die Öffentlichkeit muss länger als angekündigt auf eine Entscheidung über die Akten des Exkanzlers warten. Dessen Anwalt ist angetan, aber auch die Birthler-Behörde ist optimistisch

von HEIDE OESTREICH

Aufschub für Helmut Kohl – seine Stasi-Akten bleiben mindestens bis zum Sommer zu. Am späten Mittwochabend erklärte Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, dass sie die Hauptverhandlung des Berliner Verwaltungsgerichts zur Klage Helmut Kohls abwarten werde.

Ursprünglich hatte Birthler Zusammenfassungen von abgehörten Telefonaten Kohls ab Januar herausgeben wollen. Zu diesem Zeitpunkt sollte Kohl seine Einsichtnahme in die Akten beendet haben. Kohl aber hatte unterdessen per Eilverfahren geklagt und geltend gemacht, dass eine Herausgabe der Akten seine Persönlichkeitsrechte verletzen würde. Eine Entscheidung im Eilverfahren war für Januar erwartet worden. Das Hauptsacheverfahren hätte sich jedoch etwa zwei Jahren hingezogen.

Nun hatte das Verwaltungsgericht den Kontrahenten vorgeschlagen, das Eilverfahren einzustellen und dafür das Hauptverfahren zu beschleunigen. Eine Entscheidung könnte demnach schon im Juni fallen.

Kohls Rechtsanwalt Stephan Holthoff-Pförtner sprach in einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung von einem „Einlenken“ Birthlers. Zunächst sieht der Schritt der Stasi-Beauftragten in der Tat nach einem Zugeständnis an Kohl aus. Doch gilt als wahrscheinlich, dass Kohl mit seiner Eilklage Recht bekommen hätte: Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfte ein Gericht seine Schutzwürdigkeit wohl in jedem Fall für gegeben erachten. Insofern sieht die Birthler-Behörde eher einen Gewinn, denn das Hauptverfahren wird nun auf ein halbes Jahr verkürzt. „Für uns ist wichtiger, dass wir bei den vielen Anträgen von Journalisten, die uns vorliegen, möglichst bald Rechtsklarheit haben“, sagte die Sprecherin Birthlers, Cornelia Bull.

Auch Innenminister Schily, der die Akten prominenter Politiker ebenfalls am liebsten unter Verschluss sähe, begrüßte die Entscheidung Birthlers. Es sei gut, dass der von der Gauck-Behörde „künstlich erzeugte Zeitdruck“ nun vom Tisch sei, sagte sein Sprecher Rainer Lingenthal. Die Entscheidung Birthlers bezieht sich allerdings nur auf „die Klage des einzelnen Bürgers Helmut Kohl“, stellte deren Sprecherin klar, nicht auf die Akten anderer prominenter Personen, die Schily ebenfalls gerne geschützt sähe. Derweil bestätigte Birthler, dass Klagen verschiedener Redaktionen auf Herausgabe der Kohl-Protokolle vorliegen.