: Billy und Moppe bleiben friedlich
■ Ein Jahr nach dem Umzug des Möbelriesen Ikea direkt vor die Tore Bremens ist der befürchtete Branchen-Preiskampf ausgeblieben
Der befürchtete Verdrängungswettbewerb ist offenbar ausgeblieben. Vor etwa einem Jahr ist der schwedische Möbelsupermarkt Ikea von Mackenstedt nach Brinkum – direkt vor die Tore Bremens – gezogen. Die Ladenfläche wurde dabei auf 14.500 Quadratmeter nahezu verdoppelt. 56 Millionen Mark investierte das nordeuropäische Einrichtungshaus. Trotzdem hat der „Global Player“ Ikea nicht zu einem Konkurrenzsterben in Bremen und umzu geführt.
Wolfgang Brakhane, Geschäftsführer vom Einzelhandelsverband Nordsee, kann beruhigen. „Der Möbelhandel ist in den vergangenen Jahren eine schwierige Branche geworden. Der Kampf ist aber nicht so heftig wie etwa im Textilsektor.“ Im Fall Ikea sieht er zudem andere Gründe für einen ausgebliebenen Preiskrieg. „40 Prozent des Angebotes von Ikea setzen sich aus Accessoires zusammen. Damit ist Ikea nicht das klassische Möbelhaus.“ Zudem seien die direkten Konkurrenten der Schweden keine Leichtgewichte. Nach seinen Schätzungen liegt Ikea Brinkum bei einem Jahresumsatz von etwa 130 Millionen Mark. Den hiesigen Branchenriesen Dodenhof sieht Brakhane bei 300 Millionen Mark Umsatz liegen. Das Möbelhaus Zurbrüggen taxiert der Geschäftsführer vom Einzelhandelsverband auf 100 Millionen Mark pro Jahr.
Bei den Gewerkschaften sehen die Experten aber noch einen anderen Grund, warum Ikea mit seinem Expansionskurs nicht wie eine Bombe in die hiesige Möbellandschaft eingeschlagen ist. „Das Haus hat seinen Umsatz auf jeden Fall vergrößert. Die erhofften Zugewinne konnte Ikea aber nicht verbuchen“, so das Fazit von Richard Schmidt, Sekretär bei der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (hbv). Dennoch attes-tiert er dem schwedischen Möbelhaus noch einen nicht zu unterschätzenden Zuwachs von mehr als zehn Prozent. „Das wird in der Zukunft mit Sicherheit auf eine weitere Konzentration hinauslaufen. Überleben werden nur die Großen“, sagt Schmidt. Er sieht vor allem für die Möbelhändler in Bremens City Probleme heraufziehen. „Die können sich nur halten, wenn sie sich wirklich auf bestimmte Produktpaletten wie das Designsegment spezialisieren.“ Mitunter wäre aber auch nicht nur die stärker werdende Konkurrenz, sondern hausgemachte Probleme der Grund für Insolvenzen, so Schmidt. In Oldenburg etwa seien vor rund drei Jahren mehrere Möbelhäuser eingegangen. Darunter auch im Familia Einkaufszentrum und Möbel Hemmen. Letzteres ist allerdings ausgebrannt – angeblich kurz vor dem drohenden Konkurs.
Eine weitere Gefahr bestände laut hbv für die Verbraucher. „Die Häuser unterbieten sich gegenseitig bei den Preisen“, sagt Schmidt, „schlagen dann aber bei Lieferung und Zusammenbau kräftig drauf.“ Da müsse der Kunde schon sehr genau prüfen, wo denn nun das preiswerteste Angebot zu erstehen sei.
Ähnlich sieht auch Karin Peetz von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) die Branche. Sie erkennt einen zunehmenden Verdrängungswettbewerb. „Das funktioniert aber über einen spontanen Preiskampf. Viele Einrichtungshäuser werben mit Angeboten nach dem Motto: Wenn Sie ein Möbelstück beim Konkurrenten billiger sehen, bekommen Sie es bei uns zum gleichen Preis.“ Das macht die Margen in der Branche immer enger. Nach ihrer Meinung produziert dies immer schmalere Besetzungen. „Das führt einerseits zu Entlassungen oder zumindest zu fehlenden Neueinstellungen bei frei werdenden Stellen“, so Peetz. „Und die Häuser haben in schlechteren Zeiten außer immensen Überstunden nichts mehr zuzusetzen. Es droht der Untergang.“
Das bestätigt auch Frank Schade, Betriebsratschef bei Möbel Klingeberg: „Die Preise bieten kaum noch Spielräume. Das gilt auch für die Belegschaften.“ Dennoch sieht er zurzeit keinen Wettbewerbskrieg zwischen den einzelnen Konkurrenten wie etwa bei Aldi und Wal Mart. „Im Fall Ikea liegt das aber auch an einem anderen Marktsegment. Mit ihren Selbstmontagemöbeln drängen die Schweden nicht so direkt in den klassischen Möbelmarkt.“
Ikea selbst gibt sich zufrieden nach dem Umzug vor einem Jahr. Das Fazit: „Es läuft alles bestens“, so der stellvertretende Geschäftsführer Hermann Kube. Es gäbe eine deutliche Umsatzsteigerung von 16 Prozent. „Zudem verzeichnen wir insgesamt ein Kundenplus von sechs Prozent. Bei den Erstbesuchern liegt der Zuwachs sogar bei 20 Prozent.“ Der Standortwechsel habe sich nach den Prognosen für die ersten neun Monate voll bezahlt gemacht. „Nicht zuletzt auch durch die bessere Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, so Kube. Wie berichtet, fährt die Buslinie 53 Ikea regelmäßig an. Im Gegensatz zu Mackenstedt: Dort konnte aus Bremen quasi nur einkaufen, wer stolzer Besitzer eines Autos war. Jens Tittmann
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