Zwei Männer, eine Meinung

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und der Touristikunternehmer Vural Öger diskutieren auf verschiedenen Veranstaltungen über die Notwendigkeit von Einwanderung. Ihre Vorstellungen unterschieden sich nur geringfügig

Wie Einwanderung in Zukunft geregelt werden soll, darüber streiten sich derzeit zwei Kommissionen: die der Bundesregierung unter Rita Süssmuth (CDU) und die des CDU-Präsidiums unter Vorsitz des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller. Zwei einflussreiche Mitglieder dieser Arbeitsgruppen, der Touristikunternehmer Vural Öger und CDU-Innensenator Eckart Werthebach, präsentierten am Mittwochabend ihre persönlichen Visionen dazu – auf zwei getrennten Veranstaltungen. Dabei unterschieden sich ihre Vorstellungen nur in Detailfragen.

Hundert Besucher, die Mehrzahl im Rentenalter, waren in die Urania gekommen, um vom Eckart Werthebach zu erfahren, dass „Zuwanderung unter bestimmten Bedingungen bereichernd“ sein kann. Ungewohnte Kost für die ergrauten Damen und Herren in Strickrock und Blouson, als der Innensenator forderte, dass sich Deutschland einer „geregelten Zuwanderung“ nicht verschließen dürfe.

Eine Bestätigung für Vural Öger, dem einzigen Mitglied in der Süssmuth-Kommission mit Migrantionshintergrund. Für ihn befinden sich die Parteien mit dem C im Namen mittlerweile auf einem „ideologischen Rückzugsgefecht“, erklärte Öger auf der Veranstaltung des Türkischen Bundes in der Werkstatt der Kulturen. Ansonsten „schrumpft und altert Deutschland“ in den kommenden fünfzig Jahren.

Für den Innensenator ist der demografische Faktor das wichtigste Motiv für zusätzliche Migration. Diese müsse jedoch den Deutschen nutzen. Die Anzahl „fremdnütziger Migranten“, die von Sozialhilfe lebten, sollte reduziert werden. Öger, der als Student einer der ersten Türken in Berlin war, plädierte für eine breite Einwanderung auch von Nicht-Qualifizierten. „Wir brauchen nicht nur IT-Spezialisten, sondern auch Tellerwäscher“, betonte der Diplomingenieur. Für die rund fünfzig Zuschauer, die Mehrzahl davon Türken, war dies eine Bekräftigung ihrer eigenen Erfahrungen, die ihnen sichtlich wohl tat.

In der Urania bekam Werthebach kräftigen Applaus, als er für verbindlichen Deutsch- und Sozialkundeunterricht für Neuankömmlinge warb. Dass die Kenntnis der deutschen Sprache „ohne Wenn und Aber“ Voraussetzung für den „Eintritt in die hiesige Gesellschaft“ sei, steht auch für Öger nicht zur Debatte. Für seine Vision von der zukünftigen Gesellschaft griff er auf die Sprache der Wirtschaft zurück: Alle Menschen würden sich als „Shareholder“ innerhalb einer Art „Deutschland AG“ respektieren und ihre eigene Kultur beibehalten.

Auch Wertebach möchte, dass die Einwanderer ihre eigene Kultur und „religiöse Eigenheiten“ behalten – das sind ungewohnt tolerante Töne für einen Innensenator. Assimilation lehnten beide vehement ab.

In einem Punkt zeigte Werthebach seinen Instinkt für konservative Stimmungsmache: Als er dem Publikum vorrechnete, in welcher Höhe Asylbewerber Sozialhilfe bekommen. Dass den meisten verwehrt wird zu arbeiten und dass sie in Heimen leben müssen, verschwieg er hingegen beharrlich.

Seine Forderung: „Wirtschaftsflüchtlingen“ müssten die Leistungen gekürzt werden, damit es keinen Anreiz mehr gebe, nach Deutschland zu kommen. Am Grundrecht für Asyl wollte der Innenpolitiker jedoch nicht rütteln. Vural Öger, der seinen politischen Standpunkt als „Sozialdemokratie-nah“ beschrieb, forderte eine „einmalige Amnestie“ für alle derzeit in Deutschland lebenden Flüchtlinge und abgelehnten Asylbewerber.

Öger verlangte von der Politik, die Gesellschaft endlich auf die notwendige und unabdingbare Einwanderung vorzubereiten. Da wird Innensenator Werthebach noch viel zu tun haben.

JULIA NAUMANN, BERT SCHULZ