„Ganz große Politik“

Für Petr Pordaný ist der Prager TV-Streit eine „Zäsur in der neuesten Geschichte der Tschechischen Republik. Der ČT-Korrespondent fordert eine neue Rundfunkordnung nach deutschem Vorbild

Der Berliner ČT-Korrespondent Petr Pordaný hat seine Weihnachtsferien im besetzten Prager TV-Studio verbracht. Seit Anfang Januar berichtet er wieder aus Deutschland für die Nachrichtensendungen der „TV-Rebellen“.

taz: Wie und wann hat die Auseinandersetzung um den politischen Einfluss bei ČT angefangen?

Petr Pordaný: Das war eine lange Entwicklung, die für mich sehr wichtig war. Ich bin wie viele meiner Kollegen seit Jahren mehr als unzufrieden mit der Situation im Tschechischen Fernsehen, vor allem mit der Atmosphäre in der Nachrichtenredaktion. Wir haben über drei, vier Jahre versucht, die Qualität unserer Sendungen zu verbessern. Herausgekommen ist dabei aber eher Stagnation, weil der politische Druck auf unsere Arbeit immer stärker zunahm und für diverse Wechsel in der Chefredaktion gesorgt hat.

Was haben Sie und Ihre Kollegen dagegen unternommen?

Wir haben versucht, möglichst professionell zu arbeiten. Das ganze war, wie gesagt, ein längerer Prozess, der weit vor der Wahl von Jiří Hodáč zum Intendanten begonnen hat. Hodáč war ja schon einmal für kurze Zeit Direktor der Nachrichtenabteilung. Ich halte ihn auch für einen guten Journalisten, aber er hat keinerlei Fernseherfahrung. Dementsprechend war sein Management. Außerdem hat er schon damals unsere wichtigste Diskussionssendung „V Pravé Poledne“ einfach abgesetzt.

Wie haben Sie persönlich die Besetzung des Senders erlebt?

Ich bin kurz vor Weihnachten nach Prag gefahren, weil sich die Situation zuspitze. Das waren schon sehr kritische Stunden, als wir nicht wussten, ob gleich ein Polizeikommando kommt und das Studio räumt. Uns war schon klar, das wir mit der Besetzung gegen geltendes Recht verstoßen. Aber fast alle waren auf unserer Seite, auch die Techniker, selbst die Putzfrauen.

Und die Bevölkerung ...

Hat uns vom ersten Augenblick an unterstützt. Vielleicht am Anfang sogar zu viel. Das große Interesse war aber wichtig, weil nur knapp 20 Prozent unser Programm empfangen konnte.

Ist nie versucht worden, die Austrahlung Ihrer Nachrichtensendung per Kabel und Satellit zu blockieren?

Nein, das ging nicht, weil eben auch die Techniker auf unserer Seite sind und wir direkt aus dem Funkhaus zum Satelliten senden.

Dafür hat die Hodáč-treue Senderführung um die neue Nachrichtenchefin Jana Bobošíková bis Mittwoch eigene Nachrichten gesendet ...

Und damit sich selbst diskreditiert. Einmal durch die völlig einseitige Berichterstattung. Außerdem waren das bis auf wenige Kollegen alles nur Leute aus der zweiten oder dritten Reihe. Jana Bobošíková ist eine gute Journalistin, aber die Unerfahrenheit der anderen konnte sie allein nicht ausgleichen. Der Verzicht auf diese Sendung zeigt ja genau das. Sie hatten keine Chance.

Wie haben sich die anderen tschechischen Sender verhalten?

Es gab eine große Solidarität unter den Kolleginnen und Kollegen, egal ob vom Fernsehen, Radio oder den Zeitungen. Nur der Chef des privaten TV-Marktführers TV Nova hat Hodác unterstützt und ihm technische Hilfe für seine Sendungen angeboten. Dabei geht es allerdings auch um Medienpolitik: TV Nova versucht seit langem, die Privatisierung unseres zweiten öffentlich-rechtlichen Programmes zu betreiben.

Und die deutschen Medien?

Haben uns auch sehr unterstützt. Natürlich war es über Weihnachten schwierig, die deutschen Kollegen zu erreichen. Aber danach haben alle berichtet. Allerdings nicht wie in Tschechien auf Seite 1, sondern eher weiter hinten, vielleicht weil auch ihnen die Hintergründe nicht so bekannt waren.

Sie selbst sind Anfang Januar wieder nach Berlin zurückgekehrt. Ist das jetzt wieder ein „normales Arbeiten“?

Nein, natürlich nicht. Auslandsnachrichten gab es sowieso nur in den Nachrichten der „TV-Rebellen“, ich hätte auch nie für die anderen gearbeitet. Aber es ist gleichzeitig auch wieder business as usual: In dieser Woche habe ich bis jetzt über Becker gegen Becker, BSE, die Vergangenheit von Joschka Fischer und natürlich die Ministerrücktritte berichtet.

Was bedeutet die Auseinandersetzung um ČT für Sie persönlich?

Das Ganze hat längst eine ganz andere Dimension als noch zu Weihnachten, jetzt ist es ganz große Politik. Und für mich die wichtigste Zäsur in der neuesten Geschichte der Tschechischen Republik. Es geht längst nicht mehr nur darum, was mit den 20 Kollegen passiert, die Jana Bobošíková entlassen will.

Morgen will das Parlament über das weitere Vorgehen beraten ...

Ich hoffe, dass man sich an die Empfehlungen des Kulturausschusses hält und die Kompetenzen des Fernsehrates, der Hodáč installiert hat, übernimmt. Wir brauchen jetzt schnell eine neue Führung für den Übergang. Mir persönlich wäre ein Mediengesetz nach dem deutschen Vorbild am liebsten, weil dort neben Politikern auch andere Vertreter öffentlicher Interessen in den Rundfunkräten sitzen. Für eine Übergangszeit könnten die Kompetenzen aber auch beim Parlament bleiben.

Eine neue Senderführung löst aber nicht alle Probleme ...

ČT ist mindestens so verkrustet wie ARD und ZDF. Und wir müssen weiter an unserer Qualität arbeiten. Da ist kein Platz für unprofessionelle Kollegen, egal wie lange sie dabei sind oder ob sie jetzt auf unserer Seite stehen.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG