Nachts geht keiner pinkeln

Skiwandern in Norwegen am besten zwischen Februar und April. Zum Beispiel im Hochgebirgs-Nationalpark Rondane  ■ Von Sven-Michael Veit

Spätabends schälen sich rotierende gelbe Lichter durch das Schneegestöber. Da sitzen wir schon im Berghotel von Venabu beim kühlen Bier, Sauna, Dusche und ein gutes Abendessen verdauend. Und diesen Tag im Schneesturm, fünf Stunden bei schlechter Sicht hierher ins nächste Dorf. „Der Rettungs-Scooter“, sagt Nils, „wahrscheinlich mussten sie jemanden ausgraben.“

Fünf Tage haben wir gebraucht bis in diese wohlige Wärme am Kamin, fünf Tage auf Skiern von Hütte zu Hütte durch den Rondane-Nationalpark, über zugefrorene Seen und endlos scheinende Hochebenen, vorbei an hochalpinen Gipfeln. Mehr als 2200 Meter ragen die höchsten Spitzen dieser norwegischen Gebirgslandschaft nördlich der Olympiastadt Lillehammer auf. Wir haben uns meist auf 1000 bis 1200 Metern bewegt, gut 100 Kilometer mit vollem Rucksack durch Eis und Schnee, Sturm und Sonne. Acht Leute, die sich vorher nicht kannten, drei NorwegerInnen, eine Dänin, ein holländisches und ein deutsches Paar.

Das Gefühl, sich da draußen aufeinander verlassen zu können, haben wir entwickeln müssen. Und Nils, der erfahrene Bergführer, hat uns gezeigt, wie man Schutzhöhlen gräbt, im Fall der Fälle.

Zwei Touristen hat der Scooter gebracht, berichtet Nils jetzt. Sie hätten in der Weiße der Nacht die Orientierung verloren und per Handy die Bergrettung alarmiert.

Wir witzeln über die vorige Nacht in Eldabu, eine der typischen Selbstbedienungshütten der norwegischen Touristenvereinigung DNT, mehr als 20 Kilometer von der nächsten menschlichen Ansiedlung entfernt. Ein schmuckloses gemütliches Holzhaus mit ein paar Kojen, Tisch und Herd. Holzscheite liegen bereit, Lebensmittel auch. Man nimmt, was man braucht, und legt das Geld in die Kasse. Wasser ist gratis, eimerweise herangeschleppt aus dem Eisloch unten am Bach. Das Plumpsklo ist draußen im Schuppen.

Es war erbärmlich kalt gewesen, minus 20 Grad mindestens. Niemand, so gestehen wir uns, hatte sich mitten in der Nacht aus dem warmen Schlafsack gepellt, um zwecks Blasenentleerung durch hüfthohen Schnee zu stapfen.

An einem strahlenden Sonnentag waren wir gestern dorthin gekommen, nach dem nächtlichen Wetterumschwung haben wir heute in Wind und Eis unsere letzte Station, das heimelige Berghotel erreicht. Alle freundeten sich mit der Zivilisation sofort wieder an.

Zwei Schweden habe der Scooter geholt, hat Nils inzwischen in Erfahrung gebracht, und seine Miene deutet an, dass Norwegern sowas nicht passiert wäre. Aus einer wenig professionell gegrabenen Schneehöhle wurden sie geborgen, erschöpft und etwas unterkühlt, aber nicht ernsthaft versehrt. Nur wenige hundert Meter von Eldabu entfernt, unserem letzten Quartier. Sie hatten im Sturm die Hütte nicht gefunden.

Geführte Touren des DNT (von leicht bis hochalpin) von Februar bis April in mehreren Regionen Norwegens. Kontakt: „Nach Norden“, Helga Rahe, Drostestr. 3, 48157 Münster, 0251/32 46 08, Fax: 32 68 46, E-Mail:Tel.: helga.rahe@huettenwandern.de