Wallenberg gibt Rätsel auf

Eine schwedisch-russische Kommission veröffentlicht einen Bericht zum Schicksal von Raoul Wallenberg. Doch selbst der Zeitpunkt seines Todes ist weiterhin umstritten

STOCKHOLM taz ■ Das Schicksal des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg bleibt weiter ein Rätsel. Das steht fest, nachdem gestern eine schwedisch-russische ExpertInnenkommission in Stockholm eine Bilanz ihrer neuneinhalbjährigen Bemühungen vorgelegt hat.

Am 15. Januar 1945 war der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg in Budapest von der Roten Armee verhaftet worden. Bei der Frage nach dem Warum verweist die Bilanz auf erstmals zugänglich gemachte Dokumente des Moskauer Regierungsarchivs und des KGB-Archivs. Die scheinen darauf hinzudeuten, dass Stalin gedachte, Wallenberg als Faustpfand zu benutzen, um Sowjetbürger oder sowjetische Spione und Gefangene mit Schweden auszutauschen. Stockholm verweigerte den Handel und bedauerte dies gestern erstmals regierungsamtlich.

Unklar bleibt, ob das Faustpfandmotiv von vornherein hinter Wallenbergs Verhaftung und Verbringung nach Moskau stand oder erst später dazukam. Damit bleiben bislang vertretene Theorien, Moskau habe Wallenberg verhaftet, weil man ihn entweder für einen US-Spion oder einen Kollaborateur der Nazis hielt, unwiderlegt. Genauso wie die, Stalin habe ihn wegen der umfangreichen Geschäfte, welche die schwedische Industriellenfamilie Wallenberg über ihr verzweigtes Firmenimperium mit Hitler-Deutschland tätigte, in Sippenhaft nehmen wollen.

Ungeklärt bleibt auch der Zeitpunkt seines Todes. Der russische Teil des Kommissionsberichts nennt den 17. Juli 1947 als Todestag. Wallenberg sei damals im Lubjanka-Gefängnis ermordet worden. Schwedischen ExpertInnen reichen die Beweise für diesen frühen Todeszeitpunkt nicht, sie haben allerdings auch keine Anhaltspunkte, was einen möglichen späteren Todeszeitpunkt angeht.

Die HistorikerInnen Susan Mesnai, Susanne Berger und Marvin Makinen, die im Auftrag des schwedischen Außenministeriums unabhängig von der Kommission arbeiteten, haben dagegen eine Reihe von Hinweisen zusammengetragen, aus denen sich ein späterer Todeszeitpunkt – bis hin zu 1989 – ergeben könnte. Sie glauben, ein Gefangenenschicksal zwischen Gefängnissen in Moskau und Arbeitslagern im russischen Fernen Osten und in Workuta rekonstruieren zu können. Im Moskauer Wladimir-Gefängnis verliert sich die Spur eines Gefangenen mit dem Namen Van den Berg dann in den 60er-Jahren. 1989 wurden Wallenbergs Hinterlassenschaften seinen Angehörigen ausgehändigt.

REINHARD WOLFF