Hodáč` Abgang ist erst der Anfang

Mit dem Rücktritt des Generalintendanten des Tschechischen Fernsehens ist die Krise in Prag noch längst nicht gelöst. Jetzt hat das Parlament den schwarzen Peter. Und dort ziehen Sozialdemokraten und die oppositionelle Viererkoalition an einem Strang

aus Prag ULRIKE BRAUN

Der Junge, der für die „Sozialistische Alternative: Zukunft“ Flugblätter verteilte, schaute etwas ratlos aus der dick wattierten Winterjacke. „Hodáč ist zurückgetreten? Das hab ich noch gar nicht mitgekriegt.“ Aber er fing sich schnell wieder: „Das hat nichts zu sagen, es geht hier ja nicht um die Person Hodáč.“

Noch bevor die Menschen an diesem Donnerstagabend auf dem Wenzelsplatz die Fahnen in den kalten Wind halten konnten, hatte einer seine schon eingezogen: Knapp zwei Stunden vor Beginn der zweiten Massendemontration für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens, hatte dessen umstrittener Generalintendant aufgegeben. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß. Die meisten der rund 60.000 Demonstranten wurden erst von den Rednern mit dieser Nachricht überrascht. Hodáč sei nun weg, der Konflikt aber noch lange nicht gelöst, so die eindeutige Message. „Die Politiker sind für uns da, nicht wir für sie,“ erklärte der Schauspieler Jan Kraus der applaudierenden Menge.

Hodáč Abgang, da sind sich Insider einig, ist eher der Anfang als das Ende. Von der Internationalen Journalistenföderation (IFJ) als „Triumph für Journalisten auf der ganzen Welt“ gefeiert, bedeutet der Weggang des Intendanten eher eine Verschiebung des Konfliktherdes. Der Stein, der auf den Prager Kavci-Bergen ins Rollen gebracht wurde, findet sich nun im Parlament wieder.

Dort wurde gestern versucht, eine Lawine aufzuhalten. Am letzten Tag des, letzte Woche erklärten legislativen Notstands, versuchte das Abgeordnetenhaus ein eilig zusammengezimmertes neues Mediengesetz zu verabschieden. In seiner Eröffnungsrede stellte sich Kulturminister Pavel Dostal hinter das öffentlich-rechtliche und schloss die Privatisierung des Tschechischen Fernsehens klar aus.

Schon vor Beginn der Sitzung war klar: Nur mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Viererkoalition würde das Gesetz die Abstimmungshürde passieren. Auch über das Gekeife der „Bürgerlich-Demokratischen Partei (ODS)“ hinweg, die in der Einheit von Sozialdemokraten und Viererkoalition Verrat am Oppositionsvertrag wittert.

Wie die ODS und ihr selbstverliebter Chef, Expremier Václav Klaus, der Teile des neuen Gesetzes gestern als „einen Sieg der Telekratie über die Demokratie“ bezeichnete, diesen Verrat ahnden, dürfte interessant werden. Dass die ODS in einer Trotzreaktion der sozialdemokratischen Minderheitsregierung den Oppositionsvertrag kündigen, erwartet kaum jemand. Angesichts der Stimmung, die momentan im Volk herrscht, würde sich die ODS dadurch selbst ins Aus manövrieren – zugunsten der Viererkoalition, die schon bei den letzten Wahlen zum Senat und Kreistag erfolgreich war. Wahrscheinlicher ist, dass die Bürgerdemokraten den Regierenden das Leben schwer machen werden, nach dem Motto: Der nächste Haushalt kommt bestimmt. Kenner der tschechischen Politszene erwarten, dass jetzt erst einmal Ruhe vor dem nächsten Sturm einkehrt. Und der kann gewaltig werden.

Das Tschechische Fernsehen sendet seit drei Tagen wieder ununterbrochen sein Programm. Der Rücktritt Hodáč’ hat die Situation entschärft. Was bleibt, ist die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Übermacht der Parteien, mit Korruption und Betrug. Deshalb waren, dem Rücktritt des Intendanten und der eisigen Winterkälte zum Trotz zehntausende Demonstranten am Donnerstag auf dem Wenzelsplatz. Zum Abschluss der Kundgebung ließen sie die Politbonzen wissen, worum es ihnen wirklich ging: „Wenn es nötig wird, kommen wir wieder.“

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