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Fußball-HorizontWerder Bremen nicht auf Ballhöhe

■ Türkei-Trainingslager stößt bei Bremer Menschenrechtlern auf harsche Kritik

Werder Bremen ist in die Schusslinie von Menschenrechtsaktivisten geraten. Das „Bündnis gegen die Einführung der Isolationshaft in der Türkei“ hat den Verein gestern scharf dafür verurteilt, dass er sein Trainingslager während der Winterpause im warmen Antalya verbringt. Die Menschenrechtler fordern jetzt eine Erklärung von Werder Bremen.

Als aktuelles Beispiel für die Verletzung der Menschenrechte in dem Land nennt das Bündnis die Erstürmung von etwa 20 Gefängnissen innerhalb der Türkei durch das Militär erst Mitte Dezember. Wie berichtet, waren dabei mindes tens 15 Gefangene und zwei Polizisten ums Leben gekommen. Das Menschenrechtsbündnis spricht sogar von 30 Toten. „Hunderte sind zudem verletzt, über 1.000 Gefangene in die neuen Isolationsknäste verlegt worden“, heißt es weiter. „Während der Verlegung waren die Gefangenen Vergewaltigungen mit Knüppeln, Schlägen, auf den Kopf urinieren und weiteren menschenverachtenden und brutalen Angriffen ausgesetzt.“ Als Reaktion auf die Angst vor Isolationshaft und Willkür durch das Gefängnispersonal oder das Militär waren hunderte Häftlinge bereits seit Wochen im Hungerstreik. „Diese katastrophalen Zustände werden von denen, die erst kürzlich die Aufnahme der Türkei in die EU als Beitrittskandidatin ermöglichten, so gut wie gar nicht kommentiert. Zu der angeblichen Normalisierung der Zustände in der Türkei tragen natürlich neben den Waffenlieferungen der Bundesregierung auch die bei, die dieses Land weiterhin als schönen Urlaubsort nutzen oder eben dort ihr Trainingslager abhalten“, so der harsche Vorwurf der Menschenrechtler an Werder Bremen.

Anders sieht das Werder-Vorstand Klaus-Dieter Fischer. Auf Anfrage der taz bremen sagte er, ihm seien „keine groben Verstöße gegen die Menschenrechte in der Türkei“ bekannt – ebenso wenig wie eine internationale Ächtung oder der Vorgang von gestürmten Gefängnissen. „Ich habe hier im Verein extra nochmal nachgefragt“, so Fischer. Zudem verwies er auf die EU-Kandidatur der Türkei. Und: „Das Trainingslager ist schon seit Anfang November gebucht“, so der Werder-Vorständler. Die Idee, dieses in Antalya abzuhalten, war während der Uefa-Cup-Partie gegen die dortige Mannschaft entstanden. „Wir müssen sportliche und klimatische Bedingungen berücksichtigen. Das gilt auch für optimale Trainingspartner vor Ort“, rechtfertigt Fischer die Entscheidung des Vereins.

Insgesamt befindet sich Fischer mit seinen Äußerungen zur Türkei in diametralem Verhältnis zu internationalen wie auch nationalen Expertengremien. So wurde die türkische Regierung einen Tag vor Weihnachten noch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Misshandlung einer Dissidentin verurteilt. Der Menschenrechtsausschuss des deutschen Bundestages hat die Menschenrechtslage in dem Land nach einem Besuch im November „weiterhin als unbefriedigend“ bezeichnet. Amnesty international ruft die Regierung nach den Gefängnisaktionen ebenfalls zum Gewaltverzicht auf. Der Einsatz „exzessiver Gewalt“ sowie Folter und Misshandlungen von Häftlingen müssten aufhören. Gegen die Ausschreitungen in der Türkei war es zudem in Hamburg, Berlin und auch auf dem Bremer Marktplatz zu Protestkundgebungen gekommen. Bei Werder Bremen dagegen führen kritische Nachfragen lediglich zu abruptem Beenden von Telefonaten durch Auflegen. Fischers Schlussstatement: „Ich lasse mich nicht in so eine Ecke drängen.“ Jens Tittmann

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