zuzug
: Eine gute, aber späte Einsicht

Manchmal muss man sich kneifen, um sich klar zu machen, dass man sich das Ganze nicht einbildet. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre, findet heute statt: Selbst die CDU diskutiert über womöglich nötige Migration nach Deutschland. Innensenator Werthebach (CDU) spielt mit dem Gedanken eines demografischen Plus durch den Zuzug von Ausländern. Und Bausenator Strieder (SPD), sonst so nah an Volkes Schnauze, fordert eine Zuwanderung von bis zu 200.000 Ausländern in den nächsten Jahren. Endlich verweigert sich die Politik nicht mehr der Realität, die heißt: Deutschland ist ein Einwanderungsland, die Bundesrepublik wird multikultureller werden.

Kommentar von PHILIPP GESSLER

Diese Einsichten sind zu begrüßen, auch wenn es ärgerlich ist, dass es so lange dauerte, bis sie zustande kamen – denn nicht nur den Experten waren diese Sachverhalte schon lange klar. Dass Strieder allerdings mit dem – schon fast absurden – Argument Wohnungsleerstand diese Politik begründet, ist ein Schönheitsfehler: Als bräuchte man keine Einwanderung, wenn die Platte voll wäre. Hinter diesem Denken lauert zudem die Gefahr, in „nützliche“ und „nicht nützliche“ Ausländer zu unterscheiden, um nicht zu sagen: „zu selektieren“. Das aber wäre zynisch.

Der Senat sollte deshalb noch einen Schritt weiter gehen und angesichts dieser Erkenntnisse endlich all den Bosnienflüchtlingen ein Bleiberecht gewähren, die seit bald zehn Jahren hier nur geduldet werden und häufig nicht arbeiten dürfen. Berlin hat Zuwanderung nötig – dringender jedoch mehr Menschlichkeit. Und wenn dann, wie Strieder zusätzlich vorschlägt, auch noch etwas Platte abgerissen wird, könnte die Stadt noch menschlicher werden.