: Die Koalition auf dem Kindertrip
Keine Erhöhung des Kindergeldes, dafür mehr Betreuungsplätze. Dieser Vorschlag aus der SPD-Fraktion sorgte für Verwirrung in der Koalition. Der Kanzler stellt jetzt klar: Das Kindergeld wird auf alle Fälle erhöht, alles Weitere wird später diskutiert
von SEVERIN WEILAND
Der grüne Koalitionspartner reagierte überrascht. „Mit uns ist das nicht abgesprochen“, erklärte die Vorsitzende der Kinderkommission im Bundestag, Ekin Deligöz. Aufregung hatte gestern ein Pressebericht verursacht, wonach sich SPD-Fraktionschef Peter Struck mit Finanzminister Hans Eichel auf einen Verzicht auf die Kindergelderhöhung geeinigt haben soll. Die genehmigten 5,7 Milliarden Mark wolle man stattdessen für umfassende Strukturveränderungen bei der Kinderbetreuung einsetzen.
Die Grünen reagierten verwundert und verärgert. Die Erhöhung „stehe nicht zur Disposition“, betonte wie Deligöz auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Christine Scheel. Der Vorschlag sei ein Nullsummenspiel, das die Familien nicht weiterbringe.
SPD und Grüne hatten sich intern darauf verständigt, das Kindergeld im kommenden Jahr von derzeit 270 Mark für die ersten beiden Kinder um „mindestens 30 Mark“ zu erhöhen. Bis 2006 ist sogar eine Erhöhung auf 400 Mark im Gespräch. Bereits 1999 und 2000 wurde das Kindergeld, eines der Kernpunkte des SPD-Wahlkampfes, um ingesamt 50 Mark pro Kind angehoben. Notwendig geworden waren die Verbesserungen unter anderem durch ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Familienförderung.
Deligöz erinnerte die SPD gestern an die Formel, die zwischen beiden Koalitionären in Sachen Kinderunterstützung vereinbart worden war: „Möglichst niedrige Kinderfreibeträge, möglichst mehr Kindergeld.“ Diese Variante komme dem Sinngehalt des Urteils des Verfassungsgerichts am nächsten.
Das Finanzministerium erklärte gestern, man habe noch gar keine Entscheidung über die Erhöhung des Kindergeldes getroffen. Doch habe Eichel „Sympathien“ für ein besseres Kindergeld, weil es einkommensschwachen Familien stärker zugute komme als ein höherer Kinderfreibetrag. Schließlich brachte Kanzler Gerhard Schröder gestern nach der Präsidiumssitzung seiner Partei eine schlichtende Variante ins Gespräch: Es bleibe bei mehr Kindergeld, zugleich wolle man aber prüfen, wie das Betreuungsangebot verbessert werden könnte.
Das Familienministerium erklärte auf Anfrage, ein solches Kombinationsmodell, das insbesondere die Rechte der Länder und Kommunen betreffe, werde derzeit geprüft. Eine Variante sei etwa, die durch den Geburtenrückgang frei werdenden Kindergartenplätze nicht wegfallen zu lassen, sondern in Hortplätze umzuwidmen. Vor allem verfassungsrechtliche Aspekte müssten dabei beachtet werden, so eine Sprecherin.
Die Kinderbetreuung fällt in den Aufgabenbereich der Länder und der Kommunen. Ob sie auf mehr Geld hoffen dürfen, ist unklar. Schröder versicherte gestern, dass über den 5,7-Milliarden-Topf hinaus kein zusätzliches Geld für ein eventuelles Kombinationsmodell aus Kindergeld und Betreuung bereitgestellt werde. Ziel bleibe die Haushaltskonsolidierung.
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