piwik no script img

„Im Traum küsst du mich kaum“

■ Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg heiterte ein Trio aus Bremen die Bevölkerung im Wirtschaftswunderland auf. Die Songs der „Peheiros“ gibt es jetzt wieder auf CD

Bremen lag zu großen Teilen in Trümmern, und die deutschen Überlebenden wollten vor allem eins: vergessen. So zumindest charakterisieren HistorikerInnen die Atmosphäre in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Genau in dieser Zeit begann in Bremen die bemerkenswerte Karriere eines Trios, an das jetzt das Hamberger Label Bear Family Records mit einer CD-Veröffentlichung erinnert: „Die Peheiros“ oder „Die 3 Peheiros“ machten nach dem WK zwo alle Leute froh und verbreiteten in diesen harten und wilden Zeiten jede Menge gute Laune.

Selbst im Gedächtnis der meisten Spät- und Nachgeborenen schlummern die Peheiros irgendwo. Der aus den Vornamen der drei Musiker, Peter Schulz, Heinz Meyer und Rolf Igneé montierte Fantasiename mag zwar vergessen sein. Doch die größten Erfolge der drei ehemaligen Focke-Wulf-Angestellten wie „Siebenmal in der Woche“ und vor allem „Wasser ist zum Waschen da“ sind es nicht.

Die musikalische Erfolgsgeschichte hatte in den 30er Jahren bei Familienfeiern und Betriebsfesten der Flugzeugwerke begonnen. „Tagsüber kümmert sich das Trio um Propeller und Rotoren, nach Feierabend stehen Saiten und Stimmbänder nicht still“, heißt es etwas unbedarft im CD-Booklett. Der Krieg unterbrach das Freizeitvergnügen. Heinz Meyer (Jahrgang 1920) wurde 1942 Soldat, Schulz (Jahrgang 1922) und Igneé (Jahrgang 1918) waren offenbar unabkömmlich und blieben in Bremen.

Schon kurz nach Kriegsende formierte sich das Trio wieder. Die Engagements häuften sich, die Peheiros sangen für alliierte Soldaten und besiegte Deutsche, sie musizierten auf Revuebühnen, für Radio Bremen oder im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR). Die drei Bremer wurden bald Profis und fanden 1953 in dem damaligen Polizisten und Simplicissimus-Autor Hans Hee ihren Texter. Bis 1972 sangen und ulkten die Peheiros in der Bundesrepublik und in den westlichen Nachbarländern. Dann war Schluss mit lustig. Nur das „Peheiro“ im Steintor hielt noch einige Jahre die Erinnerung an den Namen wach.

Das Hören der soeben veröffentlichten CD mit den größten Erfolgen der Peheiros ist ein bittersüßes Vergnügen. In Foxtrott-, schnellen Walzer- oder schlichten Schunkelrhythmen treiben die drei Stimmen aus der Vergangenheit der 1950er Jahre ihre Späßchen. „Ich hab' im Schlummer, Schlummer, Schlummer solchen Kummer, Kummer, Kummer; denn im Traum – küsst du mich kaum“, singen die drei da und beschwören auch sonst eine Zeit, in der Küsse noch eine magische Wirkung hatten und Schmetterlinge krähen ließen. Zum Teil in Parodien, zum größeren Teil in eigenen Kreationen tönt es aus dem Wirtschaftswunder: „Im Sommer da regnet's, im Winter da schneit's: In der Schweiz, in der Schweiz“ oder „Im Winter da schneit es, da ist es immer kalt, d'rum geh'n wir im Winter auch gar nicht in den Wald“.

Tja, der Wald. Da war's bekanntlich nicht nur kalt, sondern es verbargen sich dort auch jede Menge Leichen unter dem Boden. Da blieb man lieber zu Hause. Und die Spaßvögel jener Jahre sorgten für Heiterkeit. Heinz Erhard, Theo Lingen, das Medium Terzett sind einige Stars dieser wohl naivsten Phase des deutschsprachigen Humors. Die drei Peheiros gehören dazu. Die Harmlosigkeit ihrer Songs ist ein Politikum und eine sozialpsychologische Fundgrube zum Verständnis einer ganzen Epoche. Einerseits. Andererseits macht die Wiederentdeckung dieser Songs einfach Spaß. Christoph Köster

Die CD der Peheiros ist unter dem Titel „Wasser ist zum Waschen da“ bei Bear Family Records erschienen und kostet 30 Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen