Feinde im Firmenlager

Betriebsratsmitglied soll wegen Rassismus gekündigt werden. Er hat eine Kampagne gegen rechts mitinitiiert

Die Aktion sorgte im beschaulichen Berliner Bezirk Zehlendorf für Aufmerksamkeit: Im Dezember montierten Mitarbeiter der Firma Dr. Bruno Lange ein riesiges Plakat auf einem S-Bahnhof im Süden der Hauptstadt. Dort hieß es in fetten Lettern: „Intoleranz und Gewalt haben keinen Platz“ und „Gegen Rassismus und Rechtsradikalismus“. Die Kampagne war gemeinsam von der IG Metall und der Firma Dr. Bruno Lange, die Photometer und die dazugehörigen Chemikalien produziert, initiiert worden. Mit dabei war auch das Betriebsratsmitglied Olaf S., der als Lagerarbeiter in dem Betrieb angestellt ist.

Mittlerweile ist Olaf S. vom Dienst suspendiert. Nicht weil er bei der Aktion mitgemacht hat, sondern weil er sich selbst rassistisch geäußert haben soll. Olaf S. stand deshalb gestern vor dem Berliner Arbeitsgericht. Die Werksleitung will ihm kündigen, weil er er einen Deutschen tunesischer Herkunft als „Nigger“ bezeichnet haben soll. Dieses Wort sei nicht zu tolerieren, beleidigende und rassistische Tiraden hätten in diesem Betrieb keinen Platz, so die Begründung. Doch Olaf S. kann aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Betriebsrat nicht so einfach gekündigt werden. Die Personalvertretung muss zustimmen. Das aber tut das neunköpfige Gremium nicht. Die Mitglieder sind von Olaf S.’ Unschuld überzeugt. Vor dem Arbeitsgericht kam es gestern zu einem Gütetermin.

Zwischen Olaf S. und dem Deutsch-Tunesier Noureddine F. gab es schon seit einigen Monaten Zwist – rein fachlicher Art. Zwischen den beiden schwelte ein Streit über die effektivste Organisation des Lagers. Was an dem Nachmittag im November tatsächlich geschah, darüber ging es vor dem Gericht gestern hoch her. Der Anwalt der Firma Dr. Lange schilderte zuerst seine Version: Olaf S. unterhält sich im Lager mit einem Kollegen und sagt zu ihm: „Egal, ob wir das machen oder nicht, die haben doch eh ihren Nigger.“ Mit „die“ meint er die Geschäftsleitung. In diesem Moment läuft Noureddine F. vorbei und hört die Beschimpfung. Einige Tage später geht er zu seinem Vorgesetzen und schildert, was passiert ist. Daraufhin wird Olaf S. von der Werksleitung befragt. In dem Gespräch streitet Olaf S. weder ab, dass er „Nigger“ gesagt hat, noch gibt er es zu. Er sagt nur, dass „er sich noch Schlimmeres habe sagen lassen müssen“, erinnert sich die Personalsachbearbeiterin, die bei dem Gespräch dabei war. Die Leitung des Betriebs fackelt nicht lange: Sie suspendiert Olaf S. und will ihm schnellstmöglich kündigen.

Doch der Betriebsrat sieht den Fall ganz anders. Olaf S. sei eben kein bequemer Kollege, er würde oft den Mund aufmachen und sich klar äußern, sagt der Vorsitzende Wolfgang Buck. Doch er habe noch nie rassistische Äußerungen gehört. Olaf S. habe schließlich auch bei der Aktion am S-Bahnhof mitgemacht.

Buck, der seit 30 Jahren im Betrieb ist, vermutet hinter der Kündigung ein ganz anderes Motiv. Der Betriebsrat, der erst vor einigen Monaten neu gewählt wurde, solle zerstört werden. Denn dieser verhalte sich kritisch gegenüber der Werksleitung und habe in den vergangenen Monaten schon öfters Verstöße gegen die Arbeitszeitregelung angemahnt.

Buck ist von Olaf S.’ Unschuld überzeugt. Der Kollege, der mit Olaf S. im Lager stand, kann sich an S.’ Äußerung nicht erinnern, hat Buck recherchiert. Und auch sonst hätten viele Mitarbeiter ausgesagt, dass S. sich noch nie rassistisch geäußert habe. Besonders ärgert es Buck, dass die Werksleitung den Betriebsrat in „eine rechte Ecke“ drücken wolle. Gemeinsam habe er mit der IG Metall schon seit Jahren Kampagnen gegen rechts organisiert, nicht erst seit diesem Jahr.

Für die Werksleitung ist der Fall genauso eindeutig. Sie glaubt nicht, dass Noureddine F. sich das Schimpfwort ausgedacht hat. „Wir müssen deutlich reagieren“, sagt der Werksleiter Wolfgang Höhne. Zu einer Einigung ist es gestern nicht gekommen; eine Entscheidung soll im März fallen. JULIA NAUMANN