Statistisches Tennisamt sagt:

Dass Nicolas Kiefer in Runde zwei der Australian Open gegen Jewgeni Kafelnikow gute Chancen hat und sich auch Thomas Haas von der Begegnung mit Llayton Hewitt recht viel versprechen kann

aus Melbourne DORIS HENKEL

Am Anfang brüllte Lleyton Hewitt wieder wie ein Wilder „Come on!“, ballte die Faust und fletschte die Zähne. Dann war es eine ganze Weile still im Stadion, der Gegner Jonas Bjorkman ballte die Faust, doch am Schluss brüllte wieder nur Hewitt. Come on! Come on! Come on! Wer das als Gegner aushalten will, der braucht ein gutes Nervenkostüm.

Nur manchmal verzog Jewgeni Kafelnikow das Gesicht, und selbst in Momenten der Anspannung wirkte er so unaufgeregt, als sei er beim Angeln am Schwarzen Meer. So viel Teilnahmslosigkeit kann einen fertig machen, und wer das als Gegner aushalten will, der braucht auch ein ziemlich ansehnliches Nervenkostüm.

Hewitt spielt nach der Zitterpartie in fünf Sätzen gegen Bjorkman in Runde zwei der Australian Open gegen Thomas Haas, Kafelnikows Herausforderer am Donnerstag wird Nicolas Kiefer sein, und so kompliziert diese Aufgaben auch sind, so groß ist ihr Reiz. „Ich freu mich auf das Spiel gegen Jewgeni“, sagte Kiefer; dazu hat er allen Grund. Beim Erfolg gegen Wayne Black aus Zimbabwe in Runde eins (6:3, 7:5, 6:2) kam er mit einer nicht ganz einfachen Aufgabe gut zurecht, und gemessen an diesem Auftritt kann er sich weiterführenden Optimismus auch leisten.

Zumal es da eine Bilanz gibt, die sich sehen lassen kann: Zwar führt der Russe in der Statistik der sieben gemeinsamen Begegnungen mit 4:3 Siegen, doch die letzten beiden Spiele hat Kiefer gewonnen, im Herbst 1999 im Viertelfinale des Hallenturniers von Wien und wenig später in der Vorrunde der ATP-Weltmeisterschaft in Hannover. Aus diesen beiden Spielen resultiert ein großer Teil von Kiefers Zuversicht. Der sagte: „Ich weiß, wie ich Jewgeni knacken kann.“ Diese beiden Spiele haben auch bei Kafelnikow Wirkung hinterlassen. Der erklärte, er halte den Deutschen für einen starken Gegner, und auf die Frage nach dem Warum, antwortete er mit dem einleuchtenden Argument jener zwei Niederlagen aus dem Jahr 99.

Aber dass Kafelnikow sich deshalb größere Sorgen macht, kann man wohl nicht sagen. „Wir spielen hier unter ganz anderen Bedingungen als damals“, erklärte er. „Außerdem: Wenn ich 75 oder 80 Prozent meines Spielvermögens bringe, dann werde ich gewinnen.“ Die Herren legen mit Worten vor, als sei damit ein Vorsprung rauszuholen. Auf die freche Prozentrechnung seines routinierten Gegnes angesprochen, meinte Kiefer lakonisch: „Das kann er machen; werden wir ja sehen.“

Man interessiert sich für Menschen mit Zuversicht und Optimismus, und obwohl Thomas Haas nach dem klaren Sieg gegen den Chilenen Nicolas Massu (6:3, 6:1, 6:1) ein wenig zurückhaltender war als Kollege Kiefer, ist auch er guter Dinge. Und dafür gibt es einen statistischen Grund: Haas hat zwei der insgesamt drei Begegnungen mit dem Australier Hewitt gewonnen, und die letzte liegt gerade einmal zwei Wochen zurück. Auf dem Weg zum Turniersieg in Adelaide gewann Haas im Viertelfinale in drei Sätzen gegen Hewitt, den Hoffnungsträger der Aussies.

Irgendwie kommen Haas die Ereignisse dieser Tage in Melbourne wie ein Déjà-vu-Erlebnis vor. Zuerst das Spiel gegen Massu, gegen den er im Finale von Adelaide gewonnen hatte, jetzt die Begegnung mit Hewitt, und wenn er noch weiter in dieser Angelegenheit zurückdenkt, dann fällt ihm natürlich der erste Sieg in der kleinen Serie mit dem wilden Australier ein. Das war vor zwei Jahren in Runde drei der Australian Open, später kam er bis ins Halbfinale, und einen größeren Erfolg hat er in seiner Karriere bis heute nicht erreicht.

Es kann nicht schaden, sich daran zu erinnern; vor allem zu Beginn eines Spiels sind Zuversicht und Unerschrockenheit immer für ein paar Punkte gut. Was danach passiert, hat vor allem mit einer guten Portion Entschlossenheit zu tun und ganz sicher auch mit dem einen oder anderen „Come on!“.