Kroatien pocht auf Gleichbehandlung

Zagreb fordert von Chefanklägerin des UN-Tribunals mehr Druck auf Belgrad wegen Auslieferung von Milošević

SPLIT taz ■ Carla del Ponte, die Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals für Exjugoslawien in Den Haag, steht in komplizierten Verhandlungen in Serbien und Kroatien, um die gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher nach Den Haag zu überstellen. Vor allem in Belgrad gibt es Hindernisse für die Zusammenarbeit. So erklärte der Präsident Jugoslawiens, Vojislav Koštunica, sein Land erkenne das Tribunal nur in beschränktem Maße an. Die Beschuldigten sollten sich vor serbischen Gerichten verantworten. Er erklärte sich nicht bereit, del Ponte bei ihrem für den 23. Dezember geplanten Besuch zu empfangen. Serbiens Führung hat zudem angekündigt, Milošević werde lediglich wegen Wahlbetrugs und Korruption angeklagt.

Auch das Verhältnis zwischen Kroatien und dem Tribunal ist getrübt. Bei Gesprächen am Montag seien Spannungen abgebaut worden, hieß es in Zagreb. Die kroatische Regierung sei del Ponte entgegengekommen.

Im Hintergrund schwelen die Konflikte weiter. Verschnupft ist die kroatische Führung darüber, dass die Staaten Exjugoslawiens unterschiedlich behandelt werden. So hatte die internationale Gemeinschaft Kroatien in den letzten Jahren in Bezug auf die Integration in europäische Institutionen gezwungen, in der Frage der mutmaßlichen Kriegsverbrecher zu kooperieren. Demgegenüber sei die Weigerung der neuen Führung in Belgrad, Milošević auszuliefern, kein Hindernis gewesen, Jugoslawien nach dem Machtwechsel sofort die Türen für die internationalen Institutionen zu öffnen.

Die Koalition aus Sozialdemokraten und Liberalen sieht sich zudem innenpolitisch einer Kampagne vonseiten der alten Regierungspartei HDZ in der Frage der Kriegsverbrecher ausgesetzt und möchte deshalb nicht als zu nachgiebig erscheinen. So streut die HDZ Gerüchte, ein populärer General der kroatischen Armee stünde auf der Geheimliste der mutmaßlichen Kriegsverbrecher. Umso mehr drängt Zagreb auf eine Klärung der Politik des Tribunals in Bezug auf Belgrad. Nachdem del Ponte wiederholt hatte, Milošević müsse in Den Haag abgeurteilt werden, konnte sie das Verhältnis Zagrebs zum Tribunal offenbar entspannen. Zagreb hätte es jedoch lieber gesehen, wenn del Ponte zuerst nach Belgrad und von da mit positiven Ergebnissen nach Zagreb gereist wäre.

ERICH RATHFELDER