vorlauf
: Viel Leid, viel These

Jenseits (Arte, 20.45 Uhr)

Eine glückliche Familie in einem Hamburger Vorort am Frühstückstisch: Der Staatsanwalt Mathias Mund (Sylvester Groth) schäkert mit Frau Elke (Anja Kling) und den beiden Kindern. Auf dem Weg zur Arbeit übersieht er einen Jungen, der sich auf seinem Fahrrad zwischen den Autos hindurchschlängelt und überfährt ihn. Damit nicht genug: Völlig unter Schock verlässt er den Unfallort – Fahrerflucht. Und von da an ist ist nichts mehr, wie es war.

Wie ein Getriebener rennt er fortan durch sein Leben. Er sucht die Mutter des toten Jungen, Katharina Buchwald (Ekaterina Medvedeva), auf: „Ich möchte sie einen kurzen Moment sprechen“, fleht er sie an. „Was wollen sie?“, fragt sie überrascht. Und nach einer Pause sagter: „Sie wiedersehen.“

Merkwürdige Dialoge? Ja. Man hört als Zuschauer förmlich das Papier knistern, auf dem die Gespräche entstanden sind, hört den Anspruch aus jeder Zeile – Hier geht es um die großen Fragen, den unkalkulierbaren Faktor in unser aller Leben. Allein, all das lässt einen kalt: Das Schicksal des Mathias Mund, der nach dem Unfall langsam die Kontrolle über sein Leben verliert, interessiert nicht wirklich, weil es vor lauter Thesenhaftigkeit nur auf den Körperteil zielt, den die Geschichte eigentlich umgehen wollte, den Kopf nämlich. Und so erfüllen die Figuren in dem neuen Fernsehspiel von Max Färberböck ihre Aufgaben, die ihnen das Drehbuch zugedacht hat, so vorhersehbar wie in einer Soap Opera.

Färberböck, der die beiden ersten erstklassigen „Bella-Block“-Folgen inszenierte und mit dem Porträt einer Frauenliebe in Nazideutschland („Aimee und Jaguar“) auch im Kino reüssierte, sieht man in seinem neuen Film jede Anstrengung an. Die Grundatmosphäre ist düster, die Protagonisten schicksalsschwer beladen. So fängt die Kamera die Darsteller beispielsweise oft aus der Vogelperspektive ein – so als symbolisiere diese eine Macht, die sich unseren Kategorien von Rationalität und Kalkulierbarkeit entzieht. Nur zeigt sie die Menschen aber gleichzeitig auch, wie sie dem Zuschauer erscheinen: spröde, kühl, und weit entfernt vom wahren Leben.

„Jenseits“ ist wie manch andere Kopfgeburt: mit dem Herzen nie ganz bei der Sache. THORSTEN PILZ