Nothilfe nach Parteizugehörigkeit

El Salvadors Präsident verspricht null Korruption bei der Erdbebenhilfe. Doch er lässt sich nur von eigenen Leuten kontrollieren. Gemeinden wie das vom Erdrutsch verschüttete Santa Tecla, die von der Ex-Guerilla FMLN regiert werden, gehen leer aus

aus San Salvador TONI KEPPELER

„Eigentlich fehlt es an allem“, sagt David Hernández, der Sprecher des Bürgermeisteramts von Santa Tecla. „Zelte, Matratzen, Decken, Essgeschirr. Und vor allem haltbare Lebensmittel: Reis, Bohnen, Speiseöl und Milchpulver für die Kinder.“ 8.000 Menschen, die das Erbeben vom vergangenen Samstag obdachlos gemacht hat, muss die Gemeindeverwaltung im Notlager auf dem Gelände des Sport- und Freizeitparks „Cafetalón“ irgendwie über die Runden bringen. Eine von Mexikanern aufgestellte Großküche sorgt für 2.000 Mahlzeiten täglich. Der Rest wird mit Essenspenden von Einwohnern der Stadt versorgt. Von der Regierung hat sich noch niemand gezeigt.

Fünf Tage nach dem schwersten Erdbeben in Mittelamerika seit zwanzig Jahren zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es auch diesmal so sein wird wie nach all den anderen Naturkatastrophen: Die rechte Arena-Regierung ignoriert die Gemeinden, die wie Santa Tecla von der ehemaligen Guerilla der FMLN regiert werden.

„Wir fragen uns, was das Nationale Notstandskomitee eigentlich tut“, sagt Hernández. „Hier hat man noch keinen Vertreter gesehen. Sie schicken uns nur immer mehr Leute aus anderen Gemeinden.“ Dabei hat Santa Tecla genügend eigene Sorgen. Hier wurde die Hälfte der rund 700 bislang geborgenen Toten gefunden. Fast 2.000 Menschen der Stadt werden noch vermisst. Das gesamte historische Zentrum ist völlig verwüstet. Mehr als 10.000 Menschen wurden obdachlos. Die Zahl der Obdachlosen im ganzen Land wird auf rund 200.000 geschätzt. Doch das Notstandskomitee hat bislang erst 45.000 registriert.

Das Gremium, eine Abteilung des Innenministeriums, ist eigentlich für die Koordinierung der Rettungsarbeiten und für die Entgegennahme und Verteilung der nationalen und internationalen Hilfe zuständig. Es hat seine Zentrale auf dem Messegelände der Hauptstadt San Salvador aufgeschlagen, weil es dort genügend Lagerstätten für eingehende Hilfslieferungen gibt.

Präsident Francisco Flores hat versprochen, diesmal werde es keine Korruption geben. Er habe deshalb eine dreiköpfige Kommission eingesetzt, die dafür sorgen soll, dass alles gerecht verteilt wird und nichts in privaten Kanälen versickert. Allerdings: Flores lässt seine Regierung nur von Leuten der eigenen Arena-Partei kontrollieren. Das Gremium besteht aus einem seiner Stellvertreter, der Außenministerin und einem Unternehmer.

Im Parlament wurde inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das Haftstrafen von bis zu sechs Jahren für Preistreiber und Regierungsfunktionäre vorsieht, die sich an Hilfsgütern bereichern. Die Preise für Grundnahrungsmittel, den öffentlichen Personenverkehr, Wasser und Strom werden nach diesem Gesetz für 90 Tage eingefroren. Arena stimmte gegen dieses von der FMLN eingebrachte Gesetz. Doch diesmal spielten die Juniorpartner der Regierungspartei nicht mit.

Der eigentlich konservative Berufsverband der Wirtschaftswissenschaftler forderte Flores auf, die von ihm zum Jahresbeginn verordnete Dollarisierung des Landes zu stoppen. Die reichlich vorhandenen Währungsreserven des Landes müssten nun für die Nothilfe eingesetzt werden und nicht für den Umtausch von nationalen Colones in Dollars. Doch der Präsident will nicht von seinem wirtschaftlichen Lieblingsprojekt lassen. Er will für Aufräumarbeiten und Wiederaufbau lieber Sondervollmachten für die Aufnahme weiterer internationaler Kredite.

Am späten Mittwochabend traf der Staatssekretär im Außenministerium, Ludger Volmer, in El Salvador ein. Kurz nach ihm landete eine Delegation des Deutschen Roten Kreuzes, die ein Feldlazarett mit 120 Betten mitgebracht hat. Das Notkrankenhaus soll in der vom Erdbeben stark betroffenen Provinzstadt Usulutan aufgestellt werden und dort zunächst für ein halbes Jahr bleiben.