Mordversuch im rechtsradikalen Milieu

Skinheads übergießen Kumpel mit Benzin und zünden ihn an. Extremismusexpertin sieht „neue Qualität der Gewalt“

BERLIN taz ■ Fünf Männer aus dem rechtsradikalen Milieu sollen in Bernau einen sechsten zunächst schwer misshandelt haben, ihn mit Benzin übergossen und anschließend angezündet haben. Die Verdächtigen im Alter zwischen 17 und 29 Jahren sitzen wegen Mordversuchs in Untersuchungshaft. Tilo R., ihr 22-jähriges Opfer, schwebt in Lebensgefahr. Seine Haut wurde zu 80 Prozent verbrannt. Der Vorfall ereignete sich am Dienstag, wenige Kilometer nordöstlich von Berlin.

„Es war eine sehr grausame Tat“, sagte Michael Neff, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) gestern zur taz. Eine politisch motivierte Tat schließt er nach den ersten Ermittlungen aber aus. Die Täter seien „wegen ihrer allgemeinen Gewaltbereitschaft“ bekannt. Zwei von ihnen seien „erheblich in Erscheinung getreten“.

Die Strafliste der mutmaßlichen Täter ist lang. Ein anderer hat nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt. Zwei sind wegen Verwendens verfassungswidriger Symbole nach § 86 a StGB vorbestraft. Weitere Details zu der Tat vom Dienstag wollte der Staatsanwalt aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht nennen.

Nach Angaben aus Polizeikreisen wohnen Täter und Opfer in einer betreuten Wohngemeinschaft zusammen. Vor einigen Tagen waren sie in Streit miteinander geraten, wobei Tilo R. schwer verprügelt wurde. Als er danach drohte, seine Bekannten bei der Polizei anzuzeigen, sollen diese ihn in der Nacht zum Dienstag auf ein Feld gelockt und abermals verprügelt haben.

Tilo R. musste sich ausziehen, vor Schmerzen fiel er mehrmals in Ohnmacht. Vier Stunden lang hat ihn die Gruppe gequält, bevor sie beschloss, ihn zu töten. An einer Tankstelle holten sie Benzin, übergossen ihn und zündeten ihn an. Tilo R. konnte sich auf dem Boden wälzen, um das Feuer zu ersticken. Dann lief er lebensgefährlich verletzt zur Tankstelle und konnte noch die Namen von drei Angreifern nennen. Offenbar sollte Tilo S. sterben, damit er seine Bekannten nicht mehr anzeigen konnte. Staatsanwalt Neff hält es für wahrscheinlich, dass sie ihn „ausschalten“ wollten.

Auf den Straßen von Bernau laufen viele Jugendliche mit Bomberjacken herum. Rechtsextremismusexpertin Anetta Kahane schätzt die dortige Szene aber nicht als „strukturell rechtsradikal dominiert“ ein. Vielmehr sei Bernau ein typischer Ort, an dem sich eine „Schnittmenge zwischen sozialer Verwahrlosung und rechten Einstellungen“ zeige. In der Absicht, Tilo R. verbrennen zu wollen, sieht Kahane eine „neue Qualität der Gewalt“ die sich in diesem Milieu mittlerweile abspielt.

ANNETTE ROGALLA