Mit Pflug und Giftspritze

Bauern wollen Naturschützer sein. Doch die Landwirtschaft vergiftet Boden und Wasser, rottet Tiere und Pflanzen aus

von BERNHARD PÖTTER

Mit glücklichen Kühen werben die deutschen Bauern schon lange nicht mehr. Doch wenn es um den Schutz der Umwelt geht, lassen sich die Landwirte von keinem Ökofreak aus der Stadt überflügeln. „Wir stellen uns der ökologischen Herausforderung“, verkündet der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner.

Eigenlob stinkt – in diesem Fall vor allem nach Gülle. Denn die Bauern sind keineswegs die Bewahrer der Natur, von der sie leben. Ganz im Gegenteil: Landwirte überdüngen ihre Felder, vergiften das Grundwasser und die Flüsse, rotten Pflanzen und Tiere auf ihren Äckern aus und helfen kräftig mit, die Atmosphäre anzuheizen und die Ozonschicht auszudünnen. Neben dem Verkehr und der Energieerzeugung hat sich die Landwirtschaft fast unbemerkt zum dritten großen Sorgenkind der Umweltpolitik entwickelt. Trotz positiver Ansätze, so das Umweltbundesamt (UBA) in Berlin, werde die Landwirtschaft „insgesamt den Grundanforderungen an eine nachhaltige Entwicklung nicht gerecht“.

Besonders gravierend sind die Schäden am Boden. Was lange ein Mangelproblem war, die Düngung des Bodens, wird durch Kunstdünger und die Massentierhaltung zu einem Problem des Überflusses. Dünger reichert den Boden mit mehr Nährstoffen an, als die Pflanzen aufnehmen können. Die Stickstoffverbindungen sickern ins Grundwasser und in die Flüsse und tragen zum Beispiel zu explosionsartigem Algenwachstum wie etwa während der „Algenpest“ von 1988 bei, das den Gewässern Sauerstoff entzieht und die Fische erstickt.

Akut bedroht die Düngewut der Bauern das Trinkwasser. Seit Jahrzehnten erhöht sich die Nitratkonzentration im Lebensmittel Nummer eins. Brunnen wurden vor allem in den ländlichen Gebieten geschlossen. „Beträchtliche Grundwasservorkommen in Deutschland überschreiten den für Trinkwasser gültigen EU-Nitrat-Grenzwert“, meldete das UBA bereits 1997. Antibiotika, die in der Tiermast eingesetzt werden, bleiben entweder im Fleisch und gefährden die Gesundheit der Verbraucher. Oder sie werden „in unglaublichen Mengen von bis zu einem Kilo pro Hektar“ über die Gülle in den Boden eingebracht, warnt Lutz Ribbe, Agrarexperte der Umweltorganisation „Euronatur“.

Vergiftet wird die Umwelt aber auch ganz direkt. 35.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel werden pro Jahr auf deutsche Äcker gesprüht. Nach einem kurzzeitigen Rückgang wird seit 1995 wieder mehr Pestizid eingesetzt, fand die Europäische Umweltagentur (EEA) heraus. Die Gifte würden „besser, weil effektiver und genauer zu dosieren“, schreibt die EEA, „aber auch giftiger“. In Deutschland, wo Pflanzenschutzmittel überhaupt nicht ins Trinkwasser gelangen sollen, weist inzwischen jede dritte Grundwassermessstelle Spuren der chemischen Keule nach.

Die Landwirtschaft, die in Deutschland etwa 30 Milliarden Mark an öffentlichen Subventionen erhält (und damit im Schnitt jeden Landwirt mit 40.000 Mark bezuschusst), verursacht allein bei den Wasserwerken jährlich Kosten von etwa 1 Milliarde Mark. Experten schätzen, dass in Deutschland jedes Jahr in Höhe von 30 bis 80 Milliarden Mark Schäden durch die Landwirtschaft entstehen.

Wenig nachhaltig gehen die Landwirte auch mit ihrem Kapital, dem Boden, um. Der Einsatz von schweren Maschinen bereitet den Ackerboden für Erosion und fördert den Verlust wertvollen Ackerlandes. Ein „Atlas der Erosionsgefährdung“ von 1986 stuft zwei Drittel der Anbaufläche Bayerns und mehr als ein Drittel der Äcker in Niedersachsen als gefährdet ein. In Bayern verzeichnen die Experten fast auf der Hälfte des Bodens einen unwiederbringlichen Verlust der Ackerkrume.

Seit Jahrzehnten propagiert wurde im Agro-Business die „Flurbereinigung“, das Ausräumen der Landschaft zugunsten weit offener Flächen, die sich mit großen Maschinen und wenig Personal bewirtschaften lassen. Der Verlust von Hecken, Waldstücken und Bachrändern hat zu einem Massensterben von Tieren und Pflanzen in der angeblich grünen Natur geführt. In Bayern etwa sind nach einer Untersuchung des „Bundes Naturschutz“ von 240 auf das Ackerland spezialisierten Pflanzen 60 in ihrem Bestand bedroht. Die Hälfte der heimischen Säugetiere, 80 Prozent der Reptilien, 80 Prozent aller Arten in Feuchtbiotopen und alle Vogelarten, die auf Mager- und Trockenrasen leben, sind demnach akut vom Aussterben bedroht. Inzwischen beherbergen Großstädte bei Pflanzen und Tieren eine größere Artenvielfalt als die landwirtschaftlich genutzte Fläche Deutschlands, die immerhin die Hälfte des Landes ausmacht.

An der Aufheizung der Atmosphäre ist die Landwirtschaft mit einem Anteil von 10 Prozent der deutschen Emissionen beteiligt, hat das UBA errechnet. Das extrem klimaschädliche Methan wird vor allem von Rindern in Massentierhaltung erzeugt, wenn die Wiederkäuer ihre Magengase in die Luft rülpsen. Überhaupt finden die Wissenschaftler harte Worte für die Tiermast. Die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln verschlinge zehnmal soviel Energie wie die Herstellung pflanzlicher Nahrung. Das „World Watch Institute“ in Washington hat errechnet, dass für 1 Kilo Rindfleisch 8 Kilo Getreide benötigt werden.

Der Appetitzügler BSE und die Absatzkrise beim Rindfleisch könnten also dazu führen, dass die Deutschen sich nicht nur gesünder, sondern auch umweltverträglicher ernähren. Denn anders als beim Verlust der Artenvielfalt betrifft die BSE-Krise die Verbraucher direkt, meint Lutz Ribbe von Euronatur. „Wenn der Storch nicht mehr da ist, interessiert das nur wenig. Wenn aber aus einem Lebensmittel ein potenzielles Tötungsmittel wird, trifft es uns ins Mark.“