: Novelle in Brandenburg
Sämtliche Umweltverbände Brandenburgs kritisieren die geplante Neufassung des Naturschutzgesetzes durch die Regierung: „Für Brandenburg wird Novellierung zur Nivellierung.“ Ein Vorzeigemodell droht demontiert zu werden
von HOLGER KLEMM
Ein Diskussionspapier sorgt bei Umweltverbänden in Brandenburg für Unmut. Auf den Weg gebracht von Umweltminister Wolfgang Birthler, beschreibt es geplante Änderungen des Landesrechts: „In die Novellierung sollen Regelungen einbezogen werden, die sich im praktischen Gesetzesvollzug in den vergangenen Jahren als unklar, konfliktträchtig, lückenhaft oder unpraktikabel erwiesen haben.“ Überhaupt ist in der Vorlage viel von Konflikten die Rede – von ihrer Vermeidung und Lösung. Doch erst einmal verschafft das Papier dem Minister gewaltige Probleme.
Er hat die sechs anerkannten Umweltverbände Brandenburgs am Hals. Alle sind dagegen. Burkhard Weichert, Geschäftsführer des Touristenvereins „Die Naturfreunde“, kann ein Lied davon singen: „Wir sind uns im Chor einig, dass die Novelle überflüssig ist.“ Das Brandenburger Naturschutzgesetz wurde mit den Umweltverbänden gemeinsam erarbeitet und 1992 verabschiedet. „Darin sind alle Belange des Naturschutzes abgedeckt“, betont Weichert. „Eine Öffnung kann nur eine Verschlechterung des Naturschutzes und damit des Gemeinwohls sein.“
Wenn die Änderung wie beabsichtigt umgesetzt wird, verliert das Land sein Vorkaufsrecht in Nationalpark- und Naturschutzgebieten. Damit gibt es die Entscheidungsgewalt über die Nutzung großer Flächen auf. Weiterhin soll die oberste Naturschutzbehörde beschnitten werden. Künftig sollen Landkreise und kreisfreie Städte selbst entscheiden, welche Flächen sie als Natur- und Landschaftsschutzgebiete ausweisen. Und sie können wesentlich leichter Verbote in Naturschutzgebieten aufheben.
Tom Kirschey bezeichnet die Novellierung als Katastrophe. Der Nabu-Sprecher kritisiert die Abwälzung der Verwaltungskosten auf die Landkreise. Und er befürchtet die Willkür von Planungen, die im jeweiligen Kreisinteresse liegen. Wirtschaftliche Erwägungen dürften auf kommunaler Ebene schwerer wiegen als bei den Entscheidungen durch die oberste Naturschutzbehörde. Auch Geschäftsführer Wolfgang Mädlow sieht die Ergebnisse vorbildlicher Umweltpolitik vergangener Jahre ins Wanken kommen. „Brandenburg war immer Vorreiter mit seinem fortschrittlichen Naturschutzgesetz.“ Und gerade jetzt, da das Bundesnaturschutzgesetz novelliert wird und voraussichtlich weiter reichende Umweltregelungen als bisher festschreibt, mache Brandenburg einen Rückschritt.
Michael Succow von der Uni Greifswald warnte schon im November auf der Nabu-Landesvertreterversammlung: „Ein neues Naturschutzgesetz in Brandenburg darf nicht dazu führen, dass etwa die Großschutzgebiete geschwächt werden.“ Der Mitbegründer des Nationalparkprogramms wies darauf hin, dass in den Ländern Westeuropas mindestens 10, besser 15 Prozent der Fläche unberührte Natur bleiben müssten. Succow plädiert für den Erhalt der Schätze Brandenburgs, seiner großen unzersiedelten Naturräume.
Zum Kontext: Die Bundesregierung beabsichtigt seit mehr als zwei Jahren eine Überarbeitung des Bundesnaturschutzgesetzes. Daraus folgen auch für die Länder Veränderungen. Als Trittin im vergangenen Sommer die Eckpunkte vorstellte, erntete er viel Lob von den Naturschutzverbänden. 10 Prozent der Gesamtfläche sollen unter besonderen Schutz gestellt werden. Außer in dem Punkt der vorgesehenen Beschränkung der Verbandsklage auf Planfeststellungsverfahren. Diese Regelung beschnitte den Einfluss der Umweltverbände.
Umweltminister Birthler verweist in seinem Diskussionspapier auf den Umwelt-Vorsprung vor anderen Ländern. Aber an 10 Prozent Schutzfläche kommt auch Brandenburg noch nicht heran. Dafür soll die kritisierte Regelung nach Birthlers Plan in Brandenburg übernommen werden. Er bezieht sich hingegen auf zwei verabschiedete Änderungen des Bundesgesetzes; eine muss bis Ende August in Landesrecht umgesetzt werden, die andere bis Mai 2003.
Kontakt und Infos:
Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Am Kleistpark 11, 15230 Frankfurt (Oder); Tel. (03 35) 5 00 48 86.
Naturschutzbund Deutschland (Nabu), Tel. (03 31) 81 04 34, Heinrich-Mann-Allee 93a, 14478 Potsdam; www.nabu.de.
Grüne Liga (GL), Waldstr. 1, 14478 Potsdam; Tel. (03 31) 8 71 35 13; www.grueneliga.de.
Landesjagdverband (LJV), Steinstr. 1, 14482 Potsdam; Tel. (03 31) 70 56 56, www.jagdnetz.de/organisationen/ljv/BB/.
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), Alfred-Möller-Str. 1, 16225 Eberswalde; Tel. (0 33 34) 6 55 04, http://home-t-online.de/home/sdw-id.
Touristenverein „Die Naturfreunde“ (TV), Am Bunten Schütz 3, 15518 Briesen/Mark; Tel. (0 33 61) 76 07 05.
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