Auch viele Fotos von Oma, Opa und Papi

Drei prominente Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, Julius Schoeps und Hermann Simon, haben passend zum Preußenjubiläum eine Geschichte der „Juden in Berlin“ verfasst: Es soll ein Standardwerk werden

Es war fast so etwas wie die Präsentation eines Familienalbums. Herman Simon, der Leiter des „Centrum Judaicum“ verwies auf das Bild seines Großvaters auf der Seite 130. Die Großeltern von Julius Schoeps, des Leiters des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, sind auf der Seite 206 zu studieren. Und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, kann seinem Vater Estrongo gleich auf mehreren Seiten bildlich begegnen: Simon, Schoeps und Nachama haben gestern im „Centrum Judaicum“ den Band „Juden in Berlin“ vorgestellt, den diese bedeutenden Mitglieder der Jüdischen Gemeinde herausgegeben haben.

Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn einen Tag nach den Feierlichkeiten zum 300. Geburtstag des Königreichs Preußen wird in dem Werk die Geschichte einer Bevölkerungsgruppe beschrieben, die unter der Herrschaft der Hohenzollern und gerade in deren Hauptstadt glänzende Fortschritte in ihrer Emanzipation machte und sich stark an Preußen assimilierte – dies sei „unser Beitrag“ zu den Gedenkfeiern, sagte Schoeps, während Simon der Bezug noch eleganter gelang: „Wir bitten die Verspätung zu entschuldigen“, sagte er, weil man eine Minute später anfing als geplant.

Dazu passt, dass die Beiträge des Bandes bis auf einen Aufsatz Michael Brenners von der Universität München nur von Autoren stammen, die auch in Berlin geboren wurden. Von den Anfängen Ende des 13. Jahrhunderts bis zur Gegenwart reicht die Zeitspanne, die das Buch abdeckt: Geschildert wird in jeweils eigenen Kapiteln die Zeit bis zur Französischen Revolution, nach der die Juden in fast ganz Europa langsam immer mehr Bürgerrechte erhielten, und die Emanzipationsepoche bis zur Reichswerdung 1871. Es folgen Aufsätze zur Assimilationsphase der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Die traurige Zeit des Nationalsozialismus wird natürlich eigens durch einen Beitrag Simons behandelt. Und schließlich beschreibt Nachama die Nachkriegszeit bis heute – Jahre, die der Gemeindevorsitzende ein wenig selbst geprägt hat.

Das alles zu erzählen ist nicht leicht, zumal es ein „Standardwerk“ werden soll, wie Bernd Kolf vom Henschel-Verlag sagte, in dem das Werk erscheint. Tatsächlich wartete man bisher vergeblich auf ein umfassendes Werk über die jüdische Geschichte Berlins, das die Epochen auch jenseits der Jahre zwischen 1933 und 1945 beleuchtet und nicht nur in Historikerkreisen gelesen wird – insofern stehen die Chancen nicht schlecht, diesen Anspruch zu erfüllen.

PHILIPP GESSLER