Mit Energie in die Saison

Die Regenerativen haben ein großes Potenzial. Gewinner des vergangenen Jahres sind die Solar- und Windaktien. Besonders interessant: Old Economy und New Economy verknüpfen sich zunehmend

„Die erneuerbaren Energien sind ein Zukunftsmarkt, weil uns schon bald die Rohstoffe ausgehen.“

Neuer Markt im freien Fall – das war das Bild zum Jahresende, nachdem Anleger zuvor nur noch mit Euro-Zeichen in den Augen herumliefen. Das vergangene Jahr hatte optimistisch mit mehr als 40 Börsengängen im ersten Quartal begonnen – später wurden bereits geplante IPOs gar verschoben. Über den Ausblick für Öko-Werte sprachen wir mit Andrew Murphy, Analyst bei der Murphy & Spitz Umwelt Consult, Bonn.

taz: Täglich ein Crash am Neuen Markt – ist der Ausleseprozess in vollem Gange?

Andrew Murphy: Ich befürchte, dass er noch stärker wird. Durch die enorm hohen Aktienkurse in der Vergangenheit war auch der Wert vieler Unternehmen sehr hoch. Damit konnte Fremdkapital durch Kredite aufgenommen werden – es gab also Geld fernab der Börse. Weil damit die Eigenkapitalquote gesunken ist, wird es wohl bald manche Engpässe bei der Liquidität geben.

Welche Rolle spielen die Energie-Werte?

Der gesamte Umweltbereich ist für Anleger noch eine Randerscheinung. Doch machte vor allem regenerative Energie Furore und ist Boomsektor der nächsten zehn Jahre.

Interessant ist dabei die Verknüpfung von Old Economy und New Economy. Es gibt den Substanzaufbau der Old Economy mit Industrieanlagen wie bei den Windkraftanlagen-Herstellern. Die New Economy steuert neue Ideen und die Fantasie bei – zusammen bringt das zweistellige Wachstumsraten. Während aus Anlegersicht der Energiebereich eher langweilig ist, sind die Regenerativen sehr fantasiereich. Die werden nicht ins Bodenlose fallen.

Welche Firmen und Branchen des Ökosektors waren im vergangenen Jahr die großen Verlierer – wer hat gewonnen?

Verloren haben nur wenige. Wild Oats, eine amerikanische Biomarktkette, ist abgestürzt. Verlierer ist auch der Wedeco-Konkurrent Trojan Technology. Nur bei einzelnen Unternehmen kam es zu negativen Kursentwicklungen. Die Ökobranche insgesamt entwickelte sich positiv.

Die Gewinner sind ganz klar die Solar- und Windaktien: SolarWorld hat enorme Kurssteigerungen hingelegt ...

... durch den Kauf von Bayer Solar?

Nein, da war die Aktie schon stark. Der Kauf hat den Aufwärtstrend und das hohe Niveau aber stabilisiert. Im Windbereich sind Umweltkontor und Energiekontor die Gewinner des Jahres.

Vor allem Fonds waren anfangs bei diesen Werten sehr zögerlich. Wir sind früh eingestiegen, und unsere Umweltdepots „Welt“ und „Deutschland“ gewannen 112 und 192 Prozent.

Haben auch die Unternehmen dazu gelernt?

Ja, sehr. Sie kümmern sich vor allem zunehmend um „Investor Relation“, also um ihre Anleger. Umweltkontor hat das bewiesen, Plambeck hat aus seinen Fehlern von 1999 gelernt und es im Jahr 2000 besser gemacht.

Was wurde besser?

Die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt. 1999 hielt Plambeck drei Wochen lang Zahlen wegen Krankheit des Finanzvorstandes zurück. Das ist für den Markt nicht nachvollziehbar, denn der will informiert werden. So was wird bestraft.

Wie?

Der Wert brach ein. Ähnlich bei Solon: Die Firma ist im vergangenen Jahr viel versprechend gestartet – wir sind bei 3,79 Euro eingestiegen –, es gab später eine Spitze bis 24 Euro, vermutlich durch Daytrader, denn das „Investor Relation“ von Solon ist – gelinde gesagt – nur schwer nachvollziehbar. Dann lagen zwei Wochen lang Zahlen auf den Tischen des Betriebes – und blieben da auch erst mal liegen. Wenn der zuständige Mitarbeiter dann sagt, er wisse nicht, wie er sie kommunizieren solle, ist das für ein Unternehmen, das Geld haben will, eine Katastrophe. Schlechte Zahlen kann jeder haben – vor allem im Aufbau und im Take-off –, aber man muss sie richtig verkaufen.

Hervorragend entwickelt hat sich hingegen auch die österreichische Best Water Technology, BWT. Sie entwickelt leistungsfähige Membrane für die Brennstoffzellentechnik. Der Wert lag Anfang des Jahres bei 136 Euro, später bei 180 Euro. Dann hat der Vorstand eine Road-Show durchgeführt und sich bei Investmentgesellschaften vorgestellt. Ergebnis: 420 Euro – allein durch die bessere Kommunikation mit dem Kapitalmarkt.

Wenn man die beiden von Ihnen aufgelegten Öko-Fonds betrachtet, scheint es da ja keine Verlierer gegeben zu haben. War das Glück oder Geschick?

Umweltaktien haben sich glücklicherweise vom Markt abkoppeln können und hervorragend entwickelt. Unsere Prognosen sind fast komplett aufgegangen, mehr noch: Die Kurse Ende Dezember hatten wir erst in diesem Jahr erwartet. Der Markt ist unseren Berechnungen also mindestens zwölf Monate voraus. Die Marktabkopplung gelingt nur zeitweise. So wurden die Umweltaktien vom negativen Trend Ende des Jahres doch noch erfasst.

Die Bundespolitik hat so stark wie nie zuvor die Ökoaktien beeinflusst: Die Pfandregelung war gut für Tomra Systems, die Einspeisevergütung machte Anleger heiß auf Wind- und Solartitel. Wird sich das fortsetzen?

Ich gehe davon aus, dass es solche Maßnahmen weiterhin geben wird. Wir profitieren vom Erneuerbare-Energien-Gesetz: Es gibt Planungssicherheit, denn man weiß jetzt schon, wie viel die Einspeisevergütung für Wind- und Solarstrom in den nächsten 18 Jahren abwirft. Die erneuerbaren Energien sind ein Zukunftsmarkt schlechthin, weil die Rohstoffe ausgehen, was die Regenerativen auffangen.

Welche Unternehmen stehen als Börsenkandidaten in den Startlöchern?

Unite geht Ende Januar an die Börse, das Unternehmen baut strukturelle Probleme ab, und der jetzige Vorstand macht das, glaube ich, ganz gut. Die BAUM AG will an die Börse, wird sich aber wohl etwas verzögern. Sie ist etwas schwer zu bewerten, zumal der Medienbereich generell stark unter Druck geraten ist. Die Janosch Film & Medien AG will an den Markt, uns liegen da aber noch keine Unterlagen vor. NEVEST bereitet sich vor und ist, denke ich, ein aussichtsreicher Kandidat – die ersten drei Jahresproduktionen ihres Biodiesels sind schon komplett verkauft. Auch macht sich mit DeWind der erste deutsche Windmühlenhersteller auf den Weg an die Börse.

Dem Börsenneuling P&T Technology aus dem Windkraftsektor – hervorgegangen sind sie aus der Ökostrom Handels AG – haben Sie kürzlich nur eher mäßige Chancen eingeräumt. Dafür wurden Sie – und auch wir, als wir das berichteten –, aus der Szene gescholten. Hat sich Ihre Einschätzung geändert, P&T sei nicht der Anlagetipp des Jahres?

Schauen Sie hin: P&T Technology kam bei 19 Euro raus, tendiert jetzt zwischen 14 und 18 – die Prognose lag also richtig, es kam in keiner Weise zu Kurssteigerungen. Meine Meinung: P&T ist zu früh an den Markt gegangen, sie hätten noch eine Weile außerbörslich arbeiten sollen, um Ergebnisse vorzeigen zu können. Die Firma will unter anderem im asiatischen Markt tätig werden und hat versucht, mit Wasserstofftechnik beim Anleger Fantasie zu wecken – das ist noch nicht gelungen. Wir bleiben dabei: P&T ist derzeit zu hoch bewertet.

Wenn man den gesamten Markt der ökologisch-ethischen Geldanlagen betrachtet, lassen sich da Highflyer ausmachen?

Der Markt ist zurzeit negativ gestimmt. Das wird sich wieder einpendelt, aber ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr noch mal weitere 190 Prozent mit unseren Umweltdepots machen werden. Entwickeln werden sich Nevest, Tomra, Vestas, NEG Micon – vielleicht AstroPower. Aber auch Umweltkontor und Plambeck haben Potenzial.

Gibt es Trends?

Zweifellos: Anleger merken, dass sie nicht nur der Rendite hinterherlaufen müssen, sondern Rendite mit einem guten Gewissen verbinden können. In Amerika werden 25 Prozent im ethischen Investment angelegt, in England sind es acht, bei uns kaum zwei Prozent. Das bietet Potenzial. Deshalb werden verstärkt Fonds in den Öko-Markt einsteigen und Geld in die Unternehmen vor allem der regenerativen Energien pumpen.

Der Kleinanleger kann sich das zunutze machen, indem er Stock-Picking betreibt und die Unternehmen auswählt, in die jeder Fonds einfach einsteigen muss. Aktienkurse werden nun mal durch Fonds bewegt.

INTERVIEW: ANDREAS LOHSE