Hilfe für Opfer rechter Gewalt

Bundesjustizministerin stellt zehn Millionen Mark für Entschädigungen bereit und verspricht schnelle Hilfe

BERLIN taz ■ Im Sommer hatte die Bundesregierung versprochen, etwas für die Opfer rechtsextremer Gewalt zu tun. Nun ist es soweit. Zehn Millionen Mark stellt Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in ihrem Budget für Entschädigungen bereit. Es sei „dringend geboten, den Opfern die helfende Hand zu reichen“, heißt es im Haushaltsplan des Justizministeriums.

Unbürokratisch soll das Geld den Opfern zugute kommen. Ein einfacher Antrag an den Generalbundesanwalt in Karlsruhe soll hierfür ausreichen. Er allein entscheidet, wer zum Kreis der Opfer zählt. Im Justizministerium wird derzeit noch an einer Leitlinie für die Vergabe der Mittel gearbeitet, die kommenden Montag vorliegen soll. Auf Nachfrage nannte eine Sprecherin aber bereits die Kriterien für die Entschädigung. Demnach muss der Geschädigte einen „plausiben Nachweis“ erbringen, dass er entweder aus „fremdenfeinlichen oder antisemitischen Gründen angegriffen wurde, oder aus Hass gegen eine Minderheit“. Zur Untermauerung des Antrags sei es nicht erforderlich, zuvor eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt zu haben.

Nicht nur körperliche Verletzungen will der Staat finanziell abgelten. Auch wer sich seelisch verletzt fühle, könne einen Ausgleich beantragen, betonte die Sprecherin. Wer etwa in der S-Bahn oder auf der Straße aus rassistischen Motiven angepöbelt werde, trage einen Schaden davon, „und wenn es das Unwohlsein ist, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen“. Für die nächsten Tage kündigte Däubler-Gmelins Sprecherin einen Leitfaden für Antragsteller an.

In den Augen der Justizministerin fungiert der Opferfonds als eine Art schnelle Hilfe. In vielen Fällen haben Opfer zwar einen Anspruch auf Entschädigung durch die Täter. Häufig genug aber sind diese finanziell nicht in der Lage, dafür aufzukommen, etwa wenn sie noch in der Ausbildung sind oder eine Haftstrafe verbüßen. Allerdings dürfen die Täter nicht glauben, der Staat tilge ihre Schuld. Der Generalbundesanwalt muss sich das Geld zurückholen, „und sei es in Raten zu zehn Mark“, so die Sprecherin.

Die neue Regelung, die so lange gelten soll, „so lange es erforderlich ist“, begeistert die Opferschutzgruppen. „Super“, jubelt Gabi Jaschke von der Opferperspektive Brandenburg. Vielleicht müssen sie und ihre Mitstreiter demnächst nicht mehr so häufig wie jetzt auf Betteltour gehen. Etwa wenn es darum geht, 40.000 Mark für die Anwaltskosten im Revisionsverfahren zu sammeln, wie im Falle des Hetzjagd-Prozesses in Cottbus. Oder wenn mal wieder eine fahrbahre Imbissbude abgebrannt wird, weil dessen Besitzer ein Vietnamese ist und dessen Versicherung den Schaden nicht voll zahlt. Oft sind es kleine Geldbeträge, die fehlen. Um eine neue Brille zu kaufen oder eine bessere medizinische Leistung bezahlen zu können.

Wie im Fall von Khalid M.: Der Mann aus Pakistan wurde in der Neujahrsnacht von einer Gruppe rechter Jugendlicher in Rathenow zusammengeschlagen. Zwei Schneidezähne brachen sie ihm aus. Das Sozialamt, das die Krankenkosten für Asylbewerber trägt, zahlte lediglich einen preiswerten Zahnersatz, der farblich nicht zu den anderen Zähnen passt. Wann immer er in den Spiegel schaut, wird er an den Überfall erinnert. „Auch solche Zustände bedingen seelische Not“, sagt Jaschke.

„Zehn Millionen Mark sind eine Summe, mit der man arbeiten kann“, befindet auch Anetta Kahane. Die Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin weist zwar darauf hin, dass auch andere Institutionen wie der Weiße Ring Opfer matiell unterstützen, aber dort haben sie keinen Anspruch auf Hilfe. Mit der neuen Regelung verbürgt sich der Staat dafür. ANNETTE ROGALLA