Horror und Hoffnung

Reemtsma-Prozess: Ehefrau des Opfers sagte als Zeugin aus: „Das ständige Warten war sadistisch“

HAMBURG taz ■ Thomas Drach hatte vorige Woche Jan Philipp Reemtsma, seinem Entführungsopfer, gegenüber beteuert, ihn nie bedroht zu haben. Vielmehr habe er dies nur gegenüber dessen Frau getan. Die sagte gestern, am sechsten Verhandlungstag um die Entführung des Hamburger Philologen und Millionenerben, zu der 33-tägigen Zeit aus, während der ihr Mann in der Hand seiner Kidnapper war. „Das Warten war zermürbend, ich konnte nicht schlafen, nicht essen.“ Und, nachdem zweimal eine Übergabe des Lösegeldes gescheitert war, „kam die Zeit, dass ich dachte, ich verliere meinen Mann“.

Kontakt mit den Entführern hielt sie mit Hilfe von codierten Anzeigen in einem Hamburger Boulevardblatt. „Ich habe das ständige Warten als extrem sadistisch empfunden“, so Ann Kathrin Scheerer gestern. Am schwersten aber sei für sie die Verzweiflung des gemeinsamen Sohnes gewesen.

Der Angeklagte, der vorgestern der Zeugin den Vorwurf machte, nicht schnell genug funktioniert zu haben, sonst wäre ihr Mann rascher wieder freigekommen, hörte sich die Aussage ohne erkennbare Reaktion an. Nervöser wirkte er, als zwei Beamte des Hamburger Landeskriminalamtes dem Gericht mitteilten, dass nach ihrem Augenschein Thomas Drach, 40, in argentinischer Abschiebehaft keineswegs unter unwürdigen Bedingungen leiden musste. Vielmehr hätte er über Annehmlichkeiten – separates Schlafzimmer, eigene Kochmöglichkeiten, Einzelduschraum – verfügt, die es in Deutschland für keinen Gefangenen gebe.

Drach selbst hat Gegenbeweisanträge gestellt. Die Bequemlichkeiten hätte er selbst organisiert. Von der Anerkennung der grundsätzlich miserablen Haftbedingungen erhofft er sich bei der Strafzumessung eine dreifache Anrechnung der knapp zweijährigen Untersuchungshaft. JAF