„nur da investiert, wo es brennt“

Maria Dietzel-Papakyriakou

taz: Erst jetzt widmet sich der Familienbericht den Familien ausländischer Herkunft. Wollte Deutschland nicht wahrhaben, dass sich längst ganze Familien dauerhaft im Land niederlassen?

Maria Dietzel-Papakyriakou: Zunächst wurden ja tatsächlich vor allem junge Männer angeworben. Doch seit den 70er-Jahren betreiben wir Familienzusammenführung – ohne zu realisieren, was das bedeutet. Hauptadressat der Fördermaßnahmen müssten schon lange die Frauen sein:Sie müssen Deutsch lernen und bei der Erziehung unterstützt werden.

Warum hat die Integrationspolitik hier nicht schon früher angesetzt?

Deutschland hat lange Zeit ignoriert, dass die Migrantenfamilien einiges bewältigt und geleistet haben. Und das mit sehr viel eigener Initiative. Migration ist sehr häufig ein Familienprojekt, in dem Frauen die Schlüsselfunktion innehaben. Wenn Integration nachhaltig sein soll, sind Frauen und Mädchen die wichtigsten Multiplikatoren. Sie erziehen die nächste Generation.

Ist es nur eine Frage der Betreuung, ob Kinder aus Migrantenfamilien sich im deutschen Schulsystem zurechtfinden?

Ein Vergleich von ausländischen mit deutschen Schülern zeigt eine deutlich geringere Bildungsbeteiligung der ausländischen Kinder. Doch der Vergleich hinkt, denn er bezieht sich nur auf die Staatsangehörigkeit. Migrantenkinder stammen aber viel häufiger aus Arbeiterfamilien, die oft nicht in der Lage sind, Schulen oder Fördereinrichtungen gezielt auszuwählen. Ein Datenvergleich mit deutschen Arbeiterkindern würde zeigen, dass die Migrantenkinder nicht schlechter abschneiden. Entscheidend ist, wie die Schulen mit der Situation der ausländischen Kinder umgehen. Die Frage ist also, ob die Migrantenkinder an der Schule scheitern oder ob es nicht vielmehr umgekehrt ist.

INTERVIEW: NICOLE MASCHLER

Maria Dietzel-Papakyriakou ist Professorin an der Uni Essen und stellvertretende Vorsitzende der Sachverständigenkommission