nebensachen aus stockholm
: Logistische Probleme einer EU-Präsidentschaft

Schnarrende Teleskopknüppel im Dauertest und der Rückenmarksreflex

Laut hatte es Schwedens Regierung verkündet: Nicht einmal Polizeiabsperrungen würden benötigt, wenn Schweden ein halbes Jahr lang die Europäische Union repräsentiere. Seit dem 1. Januar ist es nun soweit, und von den guten Vorsätzen ist keine Rede mehr: Mit den Fernsehbildern vom EU-Gipfel von Nizza im vergangenen Dezember hat die schwedische Regierung diese Hoffnung aufgegeben.

Seitdem wird nun auch die schwedische Polizei fit für die abschließende Regierungskonferenz gemacht: Mit einem neuen ausziehbaren Schlagknüppel aus Metall. An dem schätzt die Polizeiführung nicht nur die „Effektivität“, sondern auch dessen schnarrenden Laut, mit dem das Schlagwerkzeug aus der Ruhestellung in dreifache Kampflänge gebracht wird. Allein das hätte schon einen abschreckenden Effekt.

Schwedens PolizistInnen sind bislang nur Gummiknüppeln gewohnt, der Umgang mit der neuen Ausführung aus Metall will daher geübt sein. Die Reichspolizeiführung lässt deshalb zurzeit ein landesweites Trainingsprogramm durchführen, das mit einer Art Examen abschließt: Gewinner ist derjenige Polizist, der es schafft, innerhalb einer Minute einer Menschenpuppe so viele Schläge wie möglich mit diesem Schlagstock beizubringen.

Diesen Wettbewerb hat jetzt ein Polizist aus Göteborg beim Justizombudsman als „absolut verwerflich“ angezeigt. Thomas Ljung heißt er und ist offenbar bislang der einzige, der meint, „hiermit ist die Grenze jeglicher vertretbaren Gewaltanwendung überschritten“. Ljung ging jetzt mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit, nachdem die Reichspolizeiführung auf seine intern schon vorher geäußerten Bedenken nicht reagierte: „Wozu übt man, einem Menschen so viele Schläge wie möglich in einer Minute beizubringen? Reagiert jemand nicht nach einigen Schlägen, ist er entweder Superman persönlich oder kräftig bekifft. In beiden Fällen wären dann andere Massnahmen angebracht. Man muss kein Arzt sein, um sich auszumalen, was ein einminütiger Knüppelhagel für den menschlichen Körper bedeutet.“

Die Polizeiführung meint dagegen, das von ihr verordnete Trainingsprogramm stelle lediglich eine Übung „unter wirklichkeitsnahen Umständen“ dar, man wolle damit „Rückenmarksreflexe in Stresssituationen“ bei den PolizistInnen verankern. Dazu sagt Ljung: „Ich meine, dass es im Rückenmarksrepertoire eines schwedischen Polizisten gerade keine besinnungslosen wiederholten Knüppeltrommelfeuer geben sollte.“

Die Minutendauerübung ist nur ein Teil der neuen Knüppelausbildung. Ein anderer besteht darin, an zehn Menschenpuppen vorbeizuspringen und diesen der Reihe nach mit kräftigem Geschrei jeweils einen gezielten Schlag zu versetzen. Thomas Ljung: „In meiner fünfzehnjährigen Polizeikarriere habe ich noch in keiner Schicht auch nur annäherend zehn Knüppelschläge zusammengenommen ausgeteilt.“

Schweden war allerdings auch noch nie EU-Präsidentschaftsland. REINHARD WOLFF