Stamms Saustall

Bayerns Gesundheitsministerin wusste genau über den Tierarzneimittelmissbrauch Bescheid, ignorierte aber Expertenrat

MÜNCHEN taz ■ Bayerns Gesundheitsministerin Barbara Stamm ist spätestens seit Dezember 1998 über den Tierarzneiskandal im Bilde, doch unternommen hat sie nichts. Im Gesundheitsministerium fand damals ein Gespräch statt, in dem es vor allem um die Bekämpfung des Medikamentenmissbrauchs in der Tiermedizin ging. Anwesend waren die Vertreter der Landestierärztekammer, Prof. Dr. Günter Pschorn, und des Bundesverbandes Praktischer Tierärzte, Dr. Karlheinz Simon, die Stamm und ihren Fachreferenten Marino und Müller persönlich detaillierte Vorschläge präsentierten, wie gegen die „Autobahntierärzte“ vorgegangen werden müsste.

Diese reisenden Arzneidealer verkaufen aus dem Kofferraum heraus Hormone und Antibiotika in großen Mengen an Schweine- und Geflügelmäster, um die Turbomast lukrativ zu machen. „Ich kenne einen solchen Autobahntierarzt, der hat sogar noch einen Anhänger voll mit Medikamenten dabei“, berichtet der Vizepräsident der Landestierärztekammer, Dr. Tobias Held.

Trotz Simons und Pschorns Vorschlägen, wie diesem Unwesen zu begegnen sei, geschah außer einem Pro-forma-Briefwechsel im Stamm-Ministerium nichts. Es vergab für den Vorgang zwar noch ein Aktenzeichen (VII 9/8891/24/97), ließ aber dann jegliche Konsequenz vermissen – mit peinlichen Folgen, wie die deutsch-österreichische Großrazzia vorige Woche gezeigt hat.

„Die Widerstände sind eindeutig vom Deutschen Bauernverband gekommen, der sich aus seiner Sicht durchgesetzt hat“, macht Dr. Simon als Grund aus, warum in der Sache jahrelang nichts passiert ist. Dabei hätten ausreichend Erfahrungen aus anderen Bundesländern in der Bekämpfung des Tierarzneimittelmissbrauchs vorgelegen. Die seien freilich einfach ignoriert worden, so wie die Anregungen der Tierärztevertreter. „Es ist überhaupt nicht reagiert worden, das hat uns natürlich vor den Kopf gestoßen“, so Simon.

Trotz einer weiteren peinlichen Kapitulation seiner Fachministerin vor dem Bauernverband, auf dessen Druck hin sie ja bereits einmal in Sachen BSE und Risikomaterial aktiv wurde, will sich Bayerns Ministerpräsident Stoiber von Stamm erst mal nur informieren lassen. Er gab gestern zu, „bisher nur die eine Seite des Sachverhalts zu kennen“. Das Bayerische Landeskriminalamt war schneller und hat inzwischen eine zehnköpfige Sonderkommission eingerichtet.

KLAUS WITTMANN