Notschlachtung in Stoibers Stadl

Die Kritik der EU-Veterinäre am Kontrollsystem, die Ablehnung der BSE-Schnelltests, der Antibiotikaskandal – das konnte auch in Bayern nicht gut gehen

von KLAUS WITTMANN

Es war das Vibrieren in der Stimme von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), das die nahenden Konsequenzen spürbar werden ließ. Denn Beckstein trat nach einer stundenlangen Kabinettssitzung vor Barbara Stamm ans Rednerpult, redete etwas von wegen „großer Schlag gegen Arzneimittelmissbrauch gelungen“, von Abstimmung mit den Veterinärbehörden. Aber er verhaspelte sich ständig. Als Halbschatten im Bild rechts neben ihm sitzend: die Gesundheitsministerin, die schon seit Wochen unter Druck stand.

Dann trat sie ans Rednerpult. Verkündete, mit der Großrazzia am 18. Januar sei es gelungen, einen Schlag gegen den Tierarzneimittelmissbrauch zu führen. Redete von Erfolgen, von weiser Voraussicht, von Maßnahmen, die allesamt in ihrem Ministerium veranlasst worden seien. Die Vorwürfe, man sei im Sozialministerium untätig geblieben, als Tierärztevertreter massiv vor den „Autobahntierärzten“ warnten – alle seien sie falsch und unberechtigt. Fast schien es, als würde die 56-jährige gelernte Erzieherin aus Unterfranken auch diesmal wieder an ihrem Sessel kleben. Aber eines fiel auf: Diesmal war kein entschlossener Ministerpräsident Stoiber vorgeschaltet, der schon mal die Vertrauensposaune blies, sondern eben ein unsicherer Landsmann, der Innenminister.

Dann mit einem Mal sprach die Frau Ministerin in der dritten Person, sagte: „Sie sehen, dass das auch für diese Gesundheitsministerin ein wichtiger Punkt in ihrer Arbeit gewesen ist.“ Sie meinte damit die Antibiotikaproblematik, die sie richtig eingeschätzt und behandelt haben will. Sie sagte aber „gewesen ist“. Und dann ging es Schlag auf Schlag. Die Stimme wurde unsicherer, die Emotionen brachen aus der stämmigen Ministerin heraus, die verkündete, auch weiterhin mit erhobenem Kopf durch das Land gehen zu wollen. „Ich habe dem Herrn Ministerpräsidenten mitgeteilt, dass ich zurücktreten werde“, sagte sie schließlich. Und giftete die Journalisten an, sie könnten jetzt ja die Sektkorken knallen lassen.

„Respekt vor dem Rücktritt“, gab wenig später CSU-Fraktionschef Alois Glück an die Agenturen. Doch auch ihm war nicht entgangen, dass die schamlose Lobbypolitik der vermeintlichen Fachfrau auch Stoiber und das gesamte Kabinett in den Strudel des Versagens gezogen hätte. Die vor einer Woche erfolgte und als Befreiungsschlag gedachte Teilentmachtung und die Schaffung eines neuen Ministeriums hatte nicht gebracht, was Stoiber sich davon versprochen hatte. Stamms desaströse BSE-Politik, die herbe Kritik der EU-Veterinäre am bayerischen Kontrollsystem, die Ablehnung von BSE-Schnelltests und nun auch noch der Mastskandal – das konnte auf Dauer nicht gut gehen.

Nicht vergessen hatten ihr auch etliche Fraktionskollegen, dass sie noch am 9. November 2000 dem Landtag vorgaukelte, Bayern sei nach wie vor BSE-frei. Nein, der Schlussstrich war abzusehen, spätestens als am Tag zuvor Stoiber für bayerische Verhältnisse spürbar auf Distanz ging. Dabei hatte die „forsche Barbara“ schon so manches für ihre Partei ausgefochten. Wie ein Fels stand sie Ende der Achtzigerjahre im hexenprozessgeschüttelten Memmingen vor der Stadthalle und hielt eine flammende Rede gegen die Abtreibung. Da saß sie bei Podiumsdiskussionen, kompromisslos, mächtig, stur. Gerade so, wie ein bayerischer Ministerpräsident in spe sich eine Stellvertreterin wünscht.

Sie sei nicht aus der Welt, sagte sie am Ende ihrer Rede gestern, habe aber endlich wieder mehr Zeit für sich und ihre Familie. Dass es endlich so weit kommen möge, das hatten ihr auch viele Bauern gewünscht und, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, nicht wenige aus der eigenen Partei.