TV unter Kontrolle

Tschechisches Parlament verabschiedet Novelle zum Mediengesetz. Jetzt wird das Finanzgebaren des Senders in den vergangenen Jahren untersucht

PRAG taz ■ Gestern hat das tschechische Abgeordnetenhaus die lang erwartete Gesetzesnovelle verabschiedet, mit der es vorläufig die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Sender übernimmt. Die Novelle, die nur noch auf die Unterschrift von Präsident Václav Havel wartet, ermöglicht den Abgeordneten weiter, bis zur Bildung eines neuen Senderates einen Interims-Generalintendanten zu wählen, und den Haushalt des Senders besser zu kontrollieren.

Die Forderung der streikenden Redakteure nach einem Rücktritt der Führungsmannschaft, der Interims-Generalintendantin Vera Valterová und der Nachrichtenchefin Jana Bobosiková, hat sich bis heute noch nicht erfüllt. Dafür kommen immer mehr Leichen aus dem Keller des Sendezentrums auf den Prager Kavci-Bergen.

„Tunelovani“ nennt man auf Neutschechisch die in Böhmen beliebte Kunst der zweifelhaften Budgetführung vom Firmenkonto direkt in die eigene Tasche. Was bei Privatunternehmen und Banken schon fast an der Tagesordnung ist, wird jetzt auch beim Tschechischen Fernsehen vermutet. Jetzt will der Sender einen forensischen Audit durchführen lassen, der den Haushalt der letzten Jahre überprüfen soll.

Kein Januar-Lohnfür die Streikenden

Klar ist jedoch bereits jetzt, dass wegen der Krise schon rund 3,5 Millionen Kronen im Äther in heiße Luft aufgingen. Gespart wird auf Kosten der Streikenden. Die sollen nämlich kein Gehalt für den Monat Januar bekommen, das sollen gefälligst die Gewerkschaften aus ihrem Streikfonds zahlen, argumentierte der Finanzdirektor des Senders, Jindrich Beznoska.

In der vergangenen Woche hatte sich die Situation im Sendegebäude wieder kurzfristig zugespitzt, als die rebellischen Redakteure die Direktion besetzten. Während Präsident Havel die Besetzung als „irgendwie überflüssig“ bezeichnete, drohte Innenminister Stanislav Gross zum ersten Mal seit Beginn der Krise vor einem Monat mit der Staatsgewalt.

In der Bevölkerung scheint das Interesse an die Situation im Sender langsam nachzulassen. Seit zwei Wochen sendet das Fernsehen wieder ununterbrochen sein reguläres Programm. Mit dem Abgang von Generalintendanten Jiři Hodać scheint sich die Situation in der öffentlichen Meinung etwas beruhigt zu haben. Die Befürchtung, dass das Volk wieder in die alte Gleichgültigkeit versinkt, scheint daher durchaus berechtigt.

ULRIKE BRAUN