Neue Geometrie für zwölf Körper

Funkelnd, unabhängig und schnell tanzen: Trisha Brown ist mit ihrem Stück „El Trilogy“ zu Gast im Hebbeltheater

Trisha Brown tanzt Jazz. Zu Musik, die manchmal klingt, als wäre sie von Männern erfunden worden, um Frauen auf hohen Barhockern zum regungslosen Lauschen zu verdammen, lässt Brown ihre zwölf Tänzer ausschwärmen wie leibgewordene Noten. Der Trompeter Dave Douglas hat ihr eine Komposition geschrieben, in der vier Jahrzehnte Jazz miteinander verschmelzen. Freie Improvisation und nervöse großstädtische Anspannung begegnen sich ebenso wie das melancholische Akkordeon des Tango und die weiten Klangbögen, die aus ägyptischer oder libanesicher Musik entliehen sind.

Doch die Choreografie „El Trilogy“ ist alles andere als eine bloße Illustration der Musik. Lässig, wie das Wedeln der Hände und Schnippen der Finger, mit dem die Tänzer gelegentlich die Last des Lebens von sich abschütteln wie Wassertropfen, gehen sie die Begegnung mit der Musik an. Sie halten ihrer Ungebundenheit die Autonomie der Bewegung entgegen, die nur manchmal die Musik berührt und sich an sie anlehnt. Sie antworten der Komplexität mit einer eigenen Vielschichtigkeit, in der Zufall und Durcheinander in das System integriert sind.

Kann man mit dem ganzen Körper lächeln? Aus solch einer Gelöstheit und Entspannung scheint oft die Energie zu fließen, mit der sich die Tänzer einander zuwenden. Die Choreografie beruht auf der Wachheit, mit der sie sich wahrnehmen und Raum lassen. So gelingt immer wieder das Kunststück, dass Tänzer und Gruppen, die unterschiedlichen Phrasierungen folgen, einander durchdringen, sich verflechten, verdichten und wieder lösen.

„El Trilogy“ ist witzig, farbenprächtig, abstrakt und energiegeladen. Die präzise Ökonomie, mit der Brown die Kraftressourcen handhabt, dehnt sich selbst auf das Publikum aus. Sie lässt kein Absacken in den beiden Umbaupausen während der 90 Minuten zu. Mit einem langsamen Solo an der Bühnenrampe hält Mariah Maloney die Konzentration oben, während hinter ihr Beleuchtung und Bühnenhintergrund neu eingerichtet werden. Man könnte die schwarzweißen Federzeichnungen von Terry Winters, die auf großen Stoffbahnen herabgelassen werden, als Aufzeichnungen der Abläufe im Raum lesen, die sich mal zu Linien und konzentrischen Kreisen ordnen oder in Wirbeln und Knäueln verwirren.

„El Trilogy“ war das zweite Gastspiel des Tanz Winters im Hebbeltheater, das leider kein Stück länger als drei Tage zeigt. Die Reihe begann mit einer Produktion von François Verret aus Paris. Da konnte man den Kunstspringer Mathurin Bolze bewundern, der mit Hilfe eines Trampolins nicht nur einer großen Klang- und Theatermaschine grausige Töne beibrachte, sondern die romantische Fantasie vom wilden Kind verkörperte. Er war Kaspar Hauser, Tarzan, der Wolfsjunge, der sich dem unverständlichen Kauderwelsch seiner Erzieher in Riesensprüngen entzog. KATRIN BETTINA MÜLLER

Trisha Brown, am 25. Januar im Hebbeltheater, 20 Uhr. Ab Samstag: „Hochland“ von Joachim Schlömer