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„Grundzüge“ für neuen Finanzausgleich

■ Die Geber-Länder freuen sich über die Anerkennung der „Leistungsanreize“, die Nehmer-Länder über den versprochenen „Korridor“ für Abzüge – aber noch haben sie nicht zu Ende gerechnet

Nicht weißer, aber immerhin grauer Rauch signalisierte in der Nacht zum Sonntag gegen 01.15 Uhr in Wiesbaden den Durchbruch: Nach schwierigem Interpretationsmarathon verständigten sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer auf einen Minimalkonsens für den Länderfinanzausgleich – hinter den die Finanzminister nun nicht mehr zurück dürfen.

Das System soll jetzt so umgestellt werden, dass jedes Land von zusätzlichen Steuereinnahmen mehr behält, als derzeit in Folge der Umverteilung. Das war die Forderung der CDU-regierten Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Dafür müssen die Geber den „armen“ Ländern nun zugestehen, dass Gewinne und Verluste eines Landes pro Jahr zunächst nicht mehr als zwölf Mark je Einwohner betragen dürfen. Die Details des Stadtstaaten-Privilegs blieben aber offen.

Ein besonderer Joker bleibt allerdings im Spiel: Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) stellte gestern klar, Voraussetzung dieses Kompromissmodells sei gewesen, dass der Bund darauf verzichte, seinen Anteil am Länderfinanzsystem von rund 26 Milliarden Mark an Ergänzungszuweisungen vor allem an ostdeutsche Länder zu verringern.

„Das passt doch hinten und vorne nicht“, ärgert sich ein Finanzexperte. Modellrechnungen der Finanzminister sollen nun klären, ob ein derartiger Korridor überhaupt verwirklicht werden kann.

Während in Wiesbaden auf dem Flur vor den Journalisten harte Worte fielen, gaben sich die Regierungschefs hinter verschlossenen Türen überraschend konstruktiv., wie ein Teilnehmer berichtet. Nachdem für den sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf alle noch ein Ständchen zu seinem Geburtstag gesungen hatten, setzten sich Nordrhein-Westfalens Regierungschef Wolfgang Clement (SPD), Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) nochmals zusammen. Die Gruppe tüftelte dann das Konsenspapier aus, dem am Sonntagmorgen schließlich alle Länder zustimmen konnten.

Die 16 Regierungschefs akzeptierten auf ihrer Sonderkonferenz, dass es stärkere Leistungsanreize im Länderfinanzausgleich als bisher geben soll. Wenn ein Bundesland seine Steuerreinnahmen überdurchschnittlich steigern kann, dann verbleiben nach dem derzeit gültigen alten System nur 14 Prozent in der Kasse des jeweiligen Bundeslandes. Mehr Anreize zum Erfolg hatten die erfolgreicheren Süd-Länder gefordert. Die Regierungschefs dieser Länder wollten gleichzeitig erreichen, dass das bestehende System der Mischfinanzierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entflochten wird.

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zeigte sich zufrieden: „Ich bin erleichtert, dass es gelungen ist, einen Angriff auf die Stadtstaaten abzuwenden“, erklärte er: „Dies ist ein erster Etappensieg.“ Dieser sei der Solidarität der Stadtstaaten untereinander zu verdanken. Die Themen Einwohnerwertung und Gemeindesteuer seien bei der Sonderkonferenz ausgeklammert worden, ohne dass beide Seiten dazu ihre Positionen aufgegeben hätten. Hier solle im Augenblick auf eine Veränderung verzichtet werden.

Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) sagte zwar, dass der gordische Knoten noch nicht durchschlagen sei, doch wisse man nun, wo er etwa liege und welches Schwert man für den entscheidenden Schlag benutzen müsse. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zeigte sich zufrieden von den Ergebnis: „Die Ausfälle, die drohen, sind für uns ganz gering“, sagte er gegenüber Radio Bremen. Nach den bisherigen Finanzplanungen wird die Neuverschuldung Bremens aber ab 2005 trotzdem jährlich noch eine Milliarde Mark betragen – wenn es keine Reduzierung beim Landerfinanzausgleich und bei den Bundesergänzungszuweisungen gibt. Sonst wird es mehr . K.W./dpa/afp/ap

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