Harte Urteile gegen Agenten im Iran

Wegen der Ermordung von vier Intellektuellen verhängt das Teheraner Militärgericht die Todesstrafe gegen drei Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes. Doch der Wahrheitsfindung diente der Prozess hinter verschlossenen Türen nicht

von THOMAS DREGER

Die vollständige Wahrheit wird wohl nie bekannt werden. Am Samstag verurteilte die fünfte Kammer des Teheraner Militärgerichts 15 von 18 Personen wegen einer Mordserie an iranischen Intellektuellen. Alle sind Mitarbeiter des Geheimdienstes, und die Urteile sind hart: Einer der Angeklagten erhielt gleich zweimal die Todesstrafe, zwei weitere „einfache“ Todesurteile, fünf lebenslange Haftstrafen. Alle Verurteilten haben das Recht, in Berufung zu gehen. Es steht zu befürchten, dass der seit 23. Dezember laufende Prozess weniger der Wahrheitsfindung diente, denn der Vertuschung des wirklichen Außmaßes der Taten und ihres Hintergrundes.

Das hinter verschlossenen Türen durchgezogene Verfahren war politisch und hochgradig dubios. Iranische Oppositionelle sind sich sicher, dass den Verurteilten weniger Gerechtigkeit zuteil werden solle, sondern dass sie als Zeugen für die Verwicklung wesentlich hochrangigerer Geheimdienstler und anderer politischer Kräfte mundtot gemacht werden sollen.

Die Mordserie vom November und Dezember 1998 gehört zu den finstersten Kapiteln Irans nach dem Tod von Ajatollah Ruhollah Chomeini, aber ihre Folgen auch zu den erhellendsten über die derzeitigen Machtverhältnisse. In weniger als zwei Monaten wurden vier iranische Dissidenten ermordet – und die Regierung musste eingestehen: Es war der eigene Geheimdienst.

„Mein Vater wurde elfmal mit Messern gestochen, meine Mutter 24-mal“, berichtet Parastu Foruhar, die inzwischen in Deutschland lebende Tochter der am 21. November 1998 ermordeten Dissidenten Dariusch Foruhar und Parvaneh Eskandri. Das Ehepaar gehörte zum nationalistischen, antireligiösen Lager des Landes. Der 70-jährige Foruhar war nach der Revolution 1979 kurzfristig Arbeitsminister gewesen, bis zu seinem Tod war er Generalsekretär der illegalen „Iranischen Nationalen Befreiungsbewegung“. Keine zwei Wochen später fiel der Schriftsteller Mohammad Mochtari einer Todesschwadron zum Opfer. Wenige Tage später galt das Gleiche für den Übersetzer Mohammad Pujandeh.

Konservative iranische Medien versuchten, die Morde wahlweise der exiliranischen Opposition oder westlichen Geheimdiensten in die Schuhe zu schieben. Doch die Beerdigungen der Mordopfer wurden zu Demonstrationen gegen den Geheimdienst und seine Hintermänner im Lager der Reformgegner.

Am 4. Januar 1999 veröffentlichte dann das für den Geheimdienst zuständige Informationsministerium eine für iranische Verhältnisse sensationelle Erklärung: Abtrünnige, kriminelle Elemente aus den eigenen Reihen hätten die Morde begangen, mehrere Personen seien verhaftet worden. Deren Namen blieben jedoch unbekannt.

Erst sechs Monate später wurde einige veröffentlicht, darunter auch der von Said Emami alias Said Eslami. Der frühere stellvertretende Geheimdienstminister sei der eigentliche Kopf der Mörderbande gewesen. Doch leider, leider habe er im Gefängnis Selbstmord begangen – durch Trinken größerer Mengen eines Enthaarungsmittels. Iranische Journalisten bezweifeln diese Version. Schließlich tauchte niemals ein Foto der Leiche Emamis auf, noch findet sich auf jenem Teheraner Friedhof, auf dem die Trauerfeier für den früheren Spitzenagenten stattfand, ein unter seinem Namen registriertes Grab.

Emami hatte einflussreiche Freunde. Der mächtigste dürfte der ehemalige Geheimdienstminister Ali Fallahian sein. Laut Urteil des Berliner Kammergerichts ist er Auftraggeber für das Mykonos-Attentat, den Anschlag auf vier führende oppositionelle iranische Kurden 1992 in Berlin. Obwohl offiziell ohne Amt, zieht er noch immer im Hintergrund viele Fäden, die auch weit in die Gefängnisse reichen. In der an Verschwörungstheorien reichen Islamischen Republik vermuten einige, er habe seine Möglichkeiten genutzt, um dem ehemaligen Vize Emami einen unauffälligen Abgang in eine neue Existenz zu ermöglichen.

Der Fallahian-Connection ging auch der Publizist und ehemalige Geheimdienstler Akbar Gandschi nach. In Artikeln und einem Buch versuchte er die Auftraggeber der Morde an Intellektuellen – insgesamt soll es um mindesten 80 Fälle gehen – in der obersten Staatsführung auszumachen. Vor zehn Tagen verurteilte ihn das Teheraner Revolutionsgericht zu zehn Jahren Haft. Begründung: Er hatte an der angeblich islamfeindlichen Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung teilgenommen. Auch das ist eine Möglichkeit, unangenehme Enthüllungen zu verhindern.