Petition in Iran

70 Abgeordnete kritisieren Verfahren gegen Geheimdienstler. Der Wahlkampf hat begonnen

BERLIN taz ■ Die Verurteilung von 15 iranischen Geheimdienstlern am Samstag wegen des Mordes an mehreren Intellektuellen Ende 1998 hat Folgen. Am Sonntag verfassten 70 der knapp 300 Abgeordneten des Teheraner Parlaments eine Petition, in der sie fordern, nun müsse der Justizapparat überprüft werden. Der gilt als Bastion der Reformgegner, das Parlament wird dagegen von Reformern dominiert. Diese werfen der Justiz vor, sie wollten durch die Urteile die Affäre beenden, bevor die wahren Drahtzieher der Mordserie bekannt werden. Sie vermuten diese in hohen Kreisen im konservativen Lager.

Die sollen gemeinsam mit Agenten des Geheimdienstes eine Seilschaft aufgebaut haben, deren Ziel es ist, die reformorientierte Regierung um Präsident Mohammad Chatami zu stürzen, möglicherweise sogar ihn zu ermorden. Als Drahtzieher gelten Ex-Geheimdienstchef Ali Fallahian und sein inzwischen abgesetzter Nachfolger Ghorban Ali Dorri Nadschafabadi. Dessen Erbe Ali Junessi beteuerte gestern, die Lage habe sich vollständig geändert. Der Geheimdienst habe die Situation im Griff, politische Morde seien in Zukunft ausgeschlossen. Die Mordserie sei „ein großes politisches Verbrechen“.

Die Petition der Parlamentarier ist eine Ohrfeige für den Justizapparat. Richter hätten die Pflicht, ihre Macht nicht als Waffe im Kampf gegen die Modernisierer einzusetzen, heißt es darin und: „Um die Bürgerrechte zu gewährleisten, brauchen wir eine gesunde Atmosphäre und faire Richter.“

Sayid Ibrahim Amini, stellvertretender Vorsitzende des parlamentarischen Rechtsausschusses und einer der Initiatoren der Petition, erklärte vor Journalisten: „Laut Verfassung sollte die Justiz individuelle und gesellschaftliche Rechte verteidigen. Sie ist verantwortlich für die Durchsetzung von Gerechtigkeit in der Gesellschaft und sollte die legalen und legitimen Rechte aller Menschen verteidigen.“

Mit der Petition hat in Teheran endgültig der Wahlkampf begonnen. Anfang Juni wird entschieden, wer der nächste Präsident sein wird. Die Registrierung der Kandidaten beginnt am 2. Mai. Und damit haben die Konservativen ein Problem. Bisher ist es ihnen nicht gelungen, einen Namen eines Kandidaten zu ventilieren. Sie wissen, dass sie in weiten Teilen der Bevölkerung so unbeliebt sind, dass bei einer fairen Abstimmung niemand aus ihrem Lager eine Chance hätte. Auf der Reformseite steht dagegen der trotz aller Zurückhaltung beim Modernisieren noch immer beliebte derzeitige Präsident Chatami. Er hat in den zurückliegenden vier Jahren zwar viele Hoffnungen enttäuscht. Doch das Schlimmste, was ihm passieren kann, ist eine niedrige Wahlbeteiligung. Gewählt werden wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

THOMAS DREGER